Ai Weiwei - Die Rückkehr des Rebellen

In der internationalen Kunstwelt ist der chinesische Konzeptkünstler und Bildhauer Ai Weiwei ein ganz großer Namen. In China selbst war der rebellische Künstler seit seinen regierungskritischen Äußerungen 2011 wochenlang inhaftiert. Bis heute haben die Behörden seinen Pass eingezogen. Umso größer war die Überraschung, als Ai Weiwei diesen Monat in Peking mit gleich vier Einzelausstellungen an die Öffentlichkeit treten konnte.

Ai Weiwei macht ein Selfie

Ai Weiwei beim Selfie in Peking

APA/EPA/ROLEX DELA PENA

Morgenjournal, 30.6.2015

Aus Peking,

Das Plakat im Künstlerviertel Caochangdi zeigt ein knorriges Baum-Ungetüm. "Tiger, Tiger, Tiger" ist auf Chinesisch und Englisch zu lesen. Und dann groß und deutlich der Name des Künstlers: Ai Weiwei. Vier Jahre lang war der Rebell aus der chinesischen Öffentlichkeit verbannt. Wochenlang hat ihn die Polizei an einem unbekannten Ort festgehalten. Sein Pass wurde eingezogen.

Tiger, Tiger, Tiger

Aber jetzt haben die Behörden einen spektakulären Kurswechsel vollzogen. Alle vier Shows wurden zugelassen. John Jancock, der die Tigerausstellung in der Chambers Fine Art Galerie kuratiert hat: "Ja, die Polizei ist vorbeigekommen, gesagt hat sie nichts. Diese Vielzahl von Ausstellungen ist sicher ein Zeichen, dass die Behörden jetzt weniger verkrampft agieren."

In der Galerie hat der Künstler einen riesigen künstlichen Baum hingestellt. "Er wurde aus 20 abgestorbenen Stämmen und Ästen zusammengeschraubt, die Ai Weiwei vor Jahren schon gekauft hat. Anfangs hat er gar nicht gewusst, was er damit anfangen will. Seither hat er mehrere Bäume aus unterschiedlichen Teilen zusammengebaut, hier steht das größte dieser Objekte", so Kurator John Jancock weiter.

Politische Anspielung: Blumenkorb aus Porzellan

Auf Porzellanscherben sind Darstellungen und Kalligrafien von Tigern zu sehen. Die Tiger geben der Show auch ihren Titel. Die einzige politische Anspielung ist ein Blumenkorb aus weißem Porzellan. Ein solcher Blumenkorb steht seit vier Jahren auf einem Fahrrad vor der Eingangstür zu Ai Weiweis Haus. Seit ihm der Pass abgenommen wurde, stellt er jeden Morgen Blumen in den Fahrradkorb.

"Hinter dem Blumenkorb aus Porzellan steckt eine politische Botschaft. Man muss nur um die Ecke gehen und sieht dort das Fahrrad mit dem Blumenkorb vor seinem Tor. Gleichzeitig ist der Blumenkorb aus Porzellan auch um eine wunderschöne künstlerische Arbeit. Es ist eine politische Botschaft, in eleganter Weise präsentiert", sagt Kurator John Jancock.

Die hölzerne Ahnenhalle

In einem anderen Stadtteil, im Künstlerviertel mit dem Namen "798", hat Ai Weiwei eine alte, hölzerne Ahnenhalle transportieren lassen, verfremdet und in zwei nebeneinander liegenden Galerien neu aufgebaut. Das Gebäude ist vor 400 Jahren im Süden Chinas errichtet worden. Nach Zerstörungen während der Kulturrevolution sind nur Teile erhalten geblieben, die Ai Weiwei jetzt in zwei Galerien nach Peking bringen ließ. "Vom Abtransport bis zur Ausstellungseröffnung hat es ein Jahr gedauert", erzählt der Kurator der Galleria Continua Cui Cancan.

In 1500 Teile wurde die Konstruktion zerlegt, alles musste restauriert werden. Die regierungstreue chinesische Tageszeitung "Global Times" hat in ihrer Besprechung der Ausstellung klar gemacht: Die Behörden setzen auf einen zahm gewordenen Ai Weiwei, weil der direkte Protest in seinen aktuellen Ausstellungen fehlt.

"Ein politisches Ereignis"

Kurator Cui Cancan ist trotzdem von der politischen Bedeutung der Ausstellungen überzeugt: "Ein Kunstwerk kann nie Politik sein, aber es geht um den Aufbau einer politischen Beziehung. Natürlich kann man nicht sagen, dass die Ahnenhalle für sich genommen politisch ist. Aber plötzlich vier Einzelausstellungen, für eine Persönlichkeit, die sich so stark engagiert hat, das ist schon per se ein politisches Ereignis." Die Rehabilitierung des Künstlers und Rebells Ai Weiwei durch den chinesischen Staat hat begonnen.

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Chamber Fine Art - Tiger, Tiger, Tiger. Ai Weiwei
Galleria Continua - Ai Weiwei

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