Büchner-Preisträger Rainald Goetz im Porträt

Der Deutsche Rainald Goetz ist der diesjährige Träger des Georg-Büchner-Preises. Als Chronist der deutschen Gegenwart hat Goetz sich einen Namen gemacht: In den 1990er Jahren hat er den ausgelassenen Hedonismus der Discos und Clubs mitgelebt und beschrieben, in den 2000er Jahren beschäftigte er sich mit der Welt der Neuen Medien und der Hochfinanz.

Der mit 50.000 Euro dotierte Büchner-Preis gilt als wichtigste literarische Auszeichnung im deutschsprachigen Raum.

Rainald Goetz

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Mittagsjournal, 8.7.2015

"Mit einzigartiger Intensität habe sich Rainald Goetz zum Chronisten der Gegenwart und ihrer Kultur gemacht", begründete die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ihre Entscheidung und, nannte Goetz weiter "einen teilnehmenden, denkenden und moralisch urteilenden Beobachter". Der dabei immer höchst authentisch ist, würde Rainald Goetz wohl hinzufügen, denn seinen Ansatz hat er einmal ganz lapidar so beschrieben: "Wenn das Gefühl stimmt, stimmen auch die Worte. Schreiben ist Atmen."

Diese Authentizität und Glaubwürdigkeit wurde ihm auch schon früh von der Kritik attestiert: 1983 trat er beim Bachmann-Preis an, den gesellschaftskritischen Furor seines Textes unterstrich er damals, indem er sich mit einer Rasierklinge in die Stirn schnitt. Der Jury-Vorsitzende Marcel Reich-Ranicki damals in seiner direkten Reaktion: "Dieser Wutausbruch ist nicht gemacht. Er ist authentisch und zeugt von einer ungeheuren Teilnahme an all dem, was sich bei uns abspielt."

Literatur statt Medizin

Rainald Goetz hatte Anfang der 1980er Jahre gerade sein Medizinstudium beendet, die Ärztekarriere aber gleich wieder für die Literatur an den Nagel gehängt. Stattdessen stürzte er sich kopfüber in die Gesellschaft, am liebsten dort wo sie laut wurde und Gegenentwürfe zum herkömmlichen Alltag versprach. In der Euphorie der 90er Jahre war das der Hedonismus der Clubs, wo hämmernde Technoklänge den Lebensrhythmus vorgaben. Wie ein postmoderner Ulysses, der eine nie enden wollende Berliner Nacht durchquert, beschrieb er im Bewusstseinsstrom seines damaligen Romans "Rave" den Rausch einer Dekade.

Rainald Goetz' Blog

Wie Technologien die Gesellschaft Beeinflussen, das hat Goetz rund ums magische Jahr 2000 interessiert. Wie das Internet etwa das literarische Schreiben verändert, hat er am eigenen Leib ausprobiert und einen Blog begonnen. "Es sind fantastische Zeiten für Literatur; der Wirklichkeitsdruck aus der Wirtschaft, von den Technologien, aus der Politik ist gigantisch; der mediale Reflex immens vom Internet hochpotenziert, und die Literatur ist demgegenüber komplett frei. Es gibt keine Vorgabe, wie ein gutes Buch geschrieben sein soll."

Rückkehr zum Roman mit "Johann Holtrop"

Seine Rückkehr zum Roman feierte Rainald Goetz 2012 mit dem Buch "Johann Holtrop". Geschildert wurde da das Leben eines Spitzenmanagers, eines narzisstisch-egomanischen Tatmenschen, dessen Erfolg hauptsächlich auf kommunikativer Durchsetzungskraft und kapriziösen Auftritten beruht. Die Kritiken waren damals gemischt.

Heute verweigerte Rainald Goetz jegliche Interviews, was wohl auch mit seiner Abneigung gegen die Literaturkritik zu tun hat. Zum Hass wird sich heute wohl auch Freude gesellen. Der mit 50.000 Euro dotierte Büchner-Preis wird Rainald Goetz am 31. Oktober in Darmstadt verliehen.

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Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung - Georg-Büchner-Preis