Charbs "Brief an die Heuchler"

"Lieber stehend sterben als auf Knien leben", lautete das Motto von Charb, dem Chefredakteur der französischen Satirezeitung "Charlie Hebdo". Zwei Tage bevor er bei den Attentaten im Jänner auf die Redaktion getötet wurde, hatte Charb sein letztes Buch veröffentlicht.

"Brief an die Heuchler - und wie sie den Rassisten in die Hände spielen" ist eine politische Streitschrift für das, wofür Charb und die Redaktion von "Charlie Hebdo" eingetreten sind: Meinungsfreiheit, die Trennung von Staat und Kirche und ein Aufruf gegen Rassismen jeglicher Art. Jetzt ist das Buch auf Deutsch erschienen.

Mittagsjournal, 8.8.2015

Stéphane Charbonnier alias Charb, war für seinen spitzen Bleistift bekannt. Wegen der Veröffentlichung von Mohammed Karikaturen stand sein Name auf einer Al-Quaida-Liste der zehn meistgesuchten "Verbrecher gegen den Islam". Doch in seinem letzten Buch, hat er den Stift nicht für Karikaturen, sondern dafür verwendet, einen pointierten Essay zu schreiben, sagt Marika Bret, eine Freundin von Charb und Mitarbeiterin bei "Charlie Hebdo". "Charb hat vor allem im letzten Jahr seines Lebens oft gesagt: ‚Die eine Hälfte meiner Zeit verwende ich, um diese Zeitung zu produzieren und die andere Hälfte damit, zu erklären: warum. Das Buch gibt darauf eine Antwort", erinnert sich Bret.

"Gegen Fanatiker, nicht gegen muslimische Gemeinschaft"

In seinem Buch "Brief an die Heuchler - und wie sie den Rassisten in die Hände spielen" wehrt sich Charb vehement dagegen, "Charlie Hebdo" als rassistisch oder islamfeindlich zu bezeichnen. Die Mohammed-Zeichnungen richten sich nicht gegen die muslimische Gemeinschaft, sondern gegen Fanatiker, die den Koran befolgen, wie andere eine Ikea-Anleitung, schreibt Charb.

Sein Essay ist gleichzeitig auch eine Abrechnung mit französischen Politikern wie Nicolas Sarkozy, denen der Autor vorwirft, rassistische Parolen in Frankreich gesellschaftsfähig gemacht zu haben. Und mit der französischen Presse rechnet er ab, weil diese die Kritik am Islam für Skandalisierungen missbraucht habe, erklärt Marika Bret: "Charb warnt in dem Buch davor Rassismen zu kategorisieren: Es gibt keinen Rassismus gegen Muslime, der schlimmer ist als jener gegen Roma oder andere. Sie sind alle gleichermaßen verwerflich. Und wenn wir beginnen Kategorien zu entwickeln, tragen wir dazu bei eine Gruppe gegen die andere aufzuwiegeln."

Die neue Redaktion

Der Mut zur Meinungsfreiheit ihres ehemaligen Chefredakteurs würde bei jeder Redaktionssitzung fehlen, sagt Marika Bret. Doch "Charlie Hebdo" muss sich ohne ihn und die anderen getöteten Zeichner neu erfinden, ab Oktober in einer neuen Redaktion. "Wir freuen uns wirklich schon darauf, wie unser neuer Chefredakteur Riss sagt: ein Chaos bei uns anzurichten. Kompliziert in der neuen Redaktion sind aber die Sicherheitsvorkehrungen: Die Fenster und Türen werden gepanzert sein, wir werden einen Panik-Raum haben, der gegen Maschinengewehrfeuer gesichert ist, in den wir uns im Fall der Fälle zurückziehen können. Aber gleichzeitig sollen wir uns dort wohlfühlen und arbeiten können."

Die Botschaft von Charbs letztem Buch, den Aufruf gegen Feigheit, Fanatismus und verschleierten Rassismus, will "Charlie Hebdo" dort weiter zu Papier bringen.

Service

Charb, "Brief an die Heuchler - und wie sie den Rassisten in die Hände spielen", Klett-Cotta

Die Zeit - Die Neue von Charlie Hebdo