Von Boris Sawinikow
Das fahle Pferd - Roman eines Terroristen
Was sich im Kopf eines Individuums abspielen mag, das für eine Sache mordet, ist wohl nur schwer vorstellbar. Diese Innensicht gewährt Boris Sawinkow, der nicht nur Revolutionär und Politiker, sondern eben auch Terrorist war, in seinem 1908 geschriebenen Roman "Das fahle Pferd". Der Ur-Roman über die Psychologie des Terrors wird derzeit als literarische Entdeckung gefeiert.
8. April 2017, 21:58

Galiani Berlin
"Ohne Zweifel nimmt der Roman einen gewichtigen Platz in der Literatur ein"
Als Kampfmethode mit meist ideologischem Hintergrund haben Terroranschläge ihren Ursprung im frühen 19. Jahrhundert. Das Epizentrum war das zaristische Russland. Einer der führenden Köpfe des russischen Terrorismus vor der Oktoberrevolution war Boris Sawinkow, er war für die Planung spektakulärer Morde verantwortlich. Der russische Innenminister von Plehwe und der Großfürst Sergej, ein Onkel des Zaren, sind seine prominentesten Opfer.
Sawinkows Familie war adeliger Herkunft, der Vater ein allgemein respektierter Staatsanwalt. Trotzdem wurden Boris und sein Bruder Alexander wegen studentischer Machenschaften angeklagt: Während Boris die Zeit im Gefängnis überlebte, kam Alexander in die Verbannung nach Sibirien und beging Selbstmord. Der Vater endete in einer psychiatrischen Anstalt.
1906 floh Boris Sawinkow nach Paris und begann dort mit seinen Aufzeichnungen über seine terroristischen Aktivitäten: "Das fahle Pferd" erschien 1909 in gekürzter Form in Russland, die vollständige Fassung kam 1913 in Nizza heraus. Auf dieser Ausgabe beruht die jetzige Übersetzung von Alexander Nietzberg, die dem deutschsprachigen Leser Stil, literarische Ausformung und Aussagekraft von Sawinkows Text gekonnt vor Augen führt.
"Das fahle Pferd" besteht aus Tagebucheintragungen des Ich-Erzählers. Er ist der Kopf eines Terroristen-Teams, bestehend aus Fjodor, Erna, Wanja und dem Studenten Heinrich. Heinrich und Fjodor glauben fest an die sozialistische Revolution. Die einzige Frau im Team, Erna, schwankt zwischen revolutionärer Praxis und ihrer Liebe zum Ich-Erzähler. Den Tod, den er den anderen gibt, trifft ihn selbst. Er ist der apokalyptische Reiter - "Das fahle Pferd".
Service
Boris Sawinikow, "Das fahle Pferd - Roman eines Terroristen", aus dem Russischen von Jörg Baberowski, Galiani Berlin