Problematisches Verhältnis Türkei - Russland
Die Türkei reagiert wütend auf die jüngsten Verletzungen des Luftraums durch russische Kampfjets, die im benachbarten Syrien Einsätze fliegen. Der türkische Premierminister hat erneut die Entschlossenheit der Türkei betont, die eigenen Grenzen zu schützen. Die Nato überlegt die Stationierung von Truppen auf dem Territorium des Partnerlandes.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 8.10.2015
Aus Istanbul,
Mindestens zwei Mal sollen russische Kampfjets in den türkischen Luftraum eingedrungen sein. Ein weiteres Mal habe eine russische Militärmaschine türkische Jets in der Luft bedrängt. Das türkische Militär droht mit Gegenmaßnahmen, Präsident Erdogan warnt, Russland möge die Freundschaft mit der Türkei nicht aufs Spiel setzen.
Botschafter werden einbestellt, die Nato springt dem Partner Türkei zumindest verbal zur Hilfe: „Die Krise in Syrien ist keine Krise zwischen der Türkei und Russland. Und sie sollte dazu auch nicht werden“ sagt der türkische Premierminister Davutoglu. Ärger und Frust sind ihm anzuhören: „Die russischen Luftschläge zielen nicht auf den islamischen Staat ab. Die russische Luftwaffe hat nach unseren Informationen bisher 57 Attacken geflogen. Nur zwei davon gegen den Islamischen Staat.“
Wütend, aber ziemlich machtlos. Die Türkei hat dem russischen Vorgehen in Syrien wenig entgegenzusetzen. Und kann derzeit nur zusehen, wie Russland die strategischen Pläne Ankaras im Nachbarland zunichtemacht. Der Sturz von Assad ist in der Türkei zu einem regelrechten Staatsdogma erhoben worden. Dass Russland den syrischen Machthaber jetzt offen militärisch unterstützt, wohl auch um Assad bei etwaigen späteren Verhandlungen einen sicheren Platz am Verhandlungstisch zu garantieren, das erzürnt die türkische Staatsspitze. Ebenso die Tatsache, dass der Konflikt in Syrien durch das Eingreifen Russlands zunehmend eine internationale Dimension bekommt und die Regionalmacht Türkei an Einfluss verliert.
Forderungen der Türkei nach einer Schutz- und Flugverbotszone im Norden Syriens haben derzeit kaum Aussicht auf Umsetzung. Drohungen des türkischen Präsidenten, sein Land könnte künftig auf Erdgaslieferungen aus Russland verzichten und sich in anderen Gegenden umsehen sind wenig überzeugend. Zu groß ist die wirtschaftliche Abhängigkeit der Türkei von Russland. Vor allem im Energiebereich.
Fest steht: das Vorgehen Russlands in Syrien könnte dem Frontstaat Türkei noch teuer zu stehen kommen. Mehr als 2 Millionen Syrer sind derzeit im Land. Die Angst vor einer neuen Flüchtlingswelle wächst. Weil Russland eben gerade im dicht besiedelten Westen Syriens bombardiert, um dort das militärische Gleichgewicht zu Gunsten syrischer Regierungstruppen zu verschieben.
Sollte das Assad-Militär erneut in vorher an die Rebellen verlorenes Gebiet vorrücken, dann würden wohl wieder viele Menschen die Flucht ergreifen. Die türkische Regierung fürchtet, dass im schlimmsten Fall bis zu eine Million Menschen die Grenze zur Türkei überschreiten könnte.