Tschetschenische Kämpfer strömen nach Syrien
Die Nahost-Expertin Petra Ramsauer, die intensiv in der islamistischen Szene in Österreich recherchiert hat, befürchtet keine erhöhte Anschlagsgefahr durch die Flüchtlingsströme nach Österreich. Sie geht allerdings davon aus, dass vermehrt Tschetschenen aus Österreich versuchen, nach Syrien zu gelangen, um dort gegen die Truppen von Russlands Präsident Wladimir Putin zu kämpfen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 17.10.2015
Zustrom neuer tschetschenischer Kämpfer
Rund die Hälfte der offiziell 250 dschihadistischen Syrien-Kämpfer aus Österreich waren ursprünglich Flüchtlinge aus Tschetschenien. Ihre Zahl dürfte angesichts der jüngsten russischen Luftangriffe in Syrien steigen: "Meine Kontakte innerhalb des IS aber auch anderer Extremistengruppen berichten mir seit zwei Wochen, dass sie derzeit einen massiven Zustrom neuer tschetschenischer Kämpfer beobachten, weil sie sagen: Wir kämpfen hier gegen den Assad-Verbündeten Putin."
"Tun sich strapaziösen Flüchtlingsrouten nicht an"
Es ist unrealistisch, dass sich Dschihadisten, die in Europa Anschläge verüben wollen, unter die Flüchtlinge mischen, meint Petra Ramsauer. Sie hat am Abend in Wien ihr neues Buch "Die Dschihad-Generation - wie der Kult des islamischen Staats Europa bedroht." vorgestellt. 80 Prozent aller IS-Kämpfer stammen ohnehin nicht aus Syrien und dem Irak: "Ungefähr 7.000 haben europäische Pässe. Die könnten im Grunde genommen aus der Türkei das nächstbeste Flugzeug nehmen und hierher kommen und einen Anschlag verüben und sich nicht die sehr strapaziösen Flüchtlingsrouten antun." Dazu komme die Gefahr durch Flüchtlinge erkannt und enttarnt zu werden.
Mittelfristig sieht Ramsauer aber die Gefahr einer Radikalisierung unter Flüchtlingen: "Es gibt in Deutschland Fälle, wo Salafisten und Dschihadisten begonnen haben, in Flüchtlingslagern in den Dschihad nach Syrien zu rekrutieren."
Spaltung in der Salafisten-Szene
Die meisten bisher 70 Rückkehrer in Österreich haben nicht auf Seiten des IS gekämpft, sagt Ramsauer. Und sie ortet eine zunehmende Spaltung in der Salafisten-Szene, etwa bei der Koran-Verteilungsaktion "Lies!": "Es gibt innerhalb von Salafisten-Gruppen, zum Beispiel der "Lies-Organisation", bereits Schlägereien von Sympathisanten des IS und der Al-Kaida."
Ramsauer sieht diesen Richtungsstreit, der klingt, wie die Wahl zwischen Pest und Cholera, auch als Chance. Nämlich, dass junge Sympathisanten der Dschihadisten beginnen, über die ungeheure Brutalität, die von Dschihadisten ausgeht, kritisch nachzudenken.