Kunstbiennale in Kiew

Kunstbiennalen gibt es viele - aber die Kiew-Biennale 2015 nimmt unter ihnen eine Sonderstellung ein. Nach knapp zwei Monaten schließt sie am kommenden Sonntag, wird aber u.a. in Wien fortgesetzt. Dorothee Frank ist in Kiew und berichtet über ein spannendes Experiment.

Morgenjournal, 28.10.2015

In Kiew,

Im größten Kunst-Tanker der ukrainischen Hauptstadt war die Kiewer Biennale geplant: in den riesigen Räumen des einstigen Arsenals. Im März wurde sie seitens des Veranstalters, des Arsenal, einseitig abgesagt - ohne die österreichischen Kuratoren Hedwig Saxenhuber und Georg Schöllhammer zu verständigen. Die erklärten umgehend: Jetzt erst recht, sie findet statt. Man musste sich Ausweichquartiere und andere Partner suchen; aber das Ergebnis sieht keineswegs nach Notlösung aus.

Mitdiskutieren und anders denken

"The School of Kyiv" nennt sich die Biennale, weil sie sich auch als eine Art temporäre Akademie versteht; seit September haben eine Menge prominente Wissenschaftler und Künstler aus vielen Ländern Vorträge und Workshops in Kiew gehalten - über die großen Themen von Massenmigration bis Nationalismus heute. Das extrem dichte Programm wurde auch gut angenommen, erzählt Kurator Georg Schöllhammer, der in den letzten Monaten viel Zeit in der Stadt des Maidan-Aufstands verbracht hat:

"Hoffnung macht diese ungeheure Dynamik der jungen Leute. Es ist eine Gründerstimmung, man will etwas ändern. Das sehen wir auch auf der Biennale: Es kommen Leute von den verschiedensten Bereichen; von der Wirtschaftsuni, Historiker, Soziologen, aber auch von den Volks- und Mittelschulen - sie wollen mitdiskutieren, wollen anderes denken."

Service

Einen größeren Rundgang über die Kiew-Biennale bringt das "Ö1 Kulturjournal" um 17.09 Uhr.

Die Kiew-Biennale dauert noch bis Sonntag. An der Akademie der Bildenden Künste Wien wird am 4. November eine Ausstellung eröffnet, die inhaltlich an die "School of Kyiv" anschließt.

The School of Kyiv
Vimeo - Taus Makhacheva
Yevgenia Belorsets
Nikita Kadan

akademie der bildenden Künste - Kiev, Moscow and beyond

Große Biennale & Kiew-Erkundungstour

Aus der Ferne mag der Eindruck entstanden sein, die Kiew Biennale wäre mehr Diskursplattform als Ausstellung. Im Gegenteil: 18 verstreute Ausstellungsorte ergeben eine sehr große Biennale und zugleich eine Erkundungstour durch Kiew. Zu den Hauptschauplätzen gehören weite Hallen in einem ehemaligen Textilkaufhaus in der Altstadt. Luftige 70er-Jahre-Architektur mit Glashaut und viel Patina - das passt besser zur gezeigten Kunst als ein fleckenloser White Cube.

Ein Video der jungen Moskauer Künstlerin Taus Makhacheva spielt in einer grandiosen kaukasischen Berglandschaft. Zwischen zwei Felsplateaus balanciert ein Seiltänzer mehrere Dutzend Gemälde aus einem Museumsdepot über einen gefährlichen Spalt. Er trägt Landschaften, Helden, Bäuerinnen. Visuelle Erinnerung eines Landes am Hochseil - absturzgefährdet.

Den Kampf im Donbass bestreiken

Yevgenia Belorusets hat Fotografien und Texte zum Alltag der Bevölkerung im ostukrainischen Kriegsgebiet Donbass installiert. Nach ihren Beobachtungen verweigern sich die meisten Menschen dort den Kampfhandlungen, bestreiken sie sozusagen. Yevgenia Belorusets: "Die Arbeiter haben eigentlich einen Streik gegen den Krieg begonnen. Sie haben verstanden, dass dieser Krieg überhaupt nicht mit ihren eigenen Menschenrechten verbunden ist. Und sie haben alles getan, um daran nicht beteiligt zu werden. Die Menschen haben es geschafft, ihre eigenen Betriebe vor der Gewalt des Krieges zu schützen. Nicht ohne Opfer! Denn sehr oft wurden die Betriebe gezielt beschossen."

Im nationalen Geschichtsmuseum hat der junge Kunststar aus Kiew, Nikita Kadan, eine Installation zum Konflikt in der Ostukraine geschaffen, aus Fundstücken wie Waffenschrott. Er vermeidet eine ideologische Darstellung des Konflikts; beschränkt sich auf das Zeigen der Spuren.