Roman von Joseph Roth

Die Kapuzinergruft

Joseph Roths 1938 erschienener Roman "Die Kapuzinergruft" hat das Mausoleum der Habsburger auch literarisch bekannt gemacht. Der Abgesang auf die große Zeit des Vielvölkerstaates liegt in einer
schmucken Neuausgabe vor - versehen mit einem klugen und feinsinnigen Nachwort von Karl-Markus Gauß.

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Joseph Roth: "Die Kapuzinergruft", Roman, Milena Verlag

Im Pariser Exil, alkoholsüchtig und in finanziellen Nöten, knüpft Joseph Roth in diesem Buch an die Familiengeschichte der Trottas an, die er sechs Jahre zuvor im Roman "Radetzkymarsch" begonnen hatte. Der Erzähler, der sich in seiner Zeit unverstanden fühlt, berichtet rückblickend aus seinem Leben: vom Ende der Monarchie bis zum "Anschluss" im Jahr 1938.

Roths "Kapuzinergruft" ist weniger konzentriert als sein Vorgänger-Roman. Leitmotive wie etwa die knochige Hand des Todes sind plakativ gesetzt, die Wunschbilder von der Kraft und Ursprünglichkeit der Menschen fern der Donaumetropole etwas klischiert. Vieles wirkt sentimental. Und doch: Der Band lohnt die zweite Lektüre. Grade auch, weil er den Blick auf jene Teile des Habsburgerreiches schärft, die der Eiserne Vorhang viel zu lange aus unserem Gesichtsfeld gedrängt hat. Was die früheren Kronländer für Wien bedeutet haben, und wie wenig der Kaiser die Verdienste und auch Zuneigung seiner dortigen Untertanen zu würdigen wusste, das vermittelt der Roman auf atmosphärisch dichte Weise.

Der Roman endet vor der Kapuzinergruft. Sie ist versperrt. Ein eindrückliches Bild, das die Resignation des Autors spiegelt: Roth, einst monarchiekritischer Pazifist, zog sich gegen Ende seines Lebens in Wunschträume von einem habsburgischen Kaiser zurück. Er schloss sich den Bemühungen der Legitimisten an und fand sich in christlichen Erlösungsphantasien wieder. Bis er sich und die Welt vollends aufgab. "Hier sitze ich am Wanderstab", schrieb er in einem seiner letzten Feuilletons. "Die Füße sind wund, das Herz müde, die Augen sind trocken." Nur wenige Monate später, im Mai 1939, starb Joseph Roth im Pariser Exil.