"Einer von uns" - Jugendliche auf Abwegen

Vor sechs Jahren wurde bei einem Einbruch auf einen Supermarkt in Krems ein Jugendlicher von einem Polizisten erschossen, ein weiterer angeschossen. Der getötete Jugendliche war 14 Jahre alt. Der Fall sorgte für enormes Aufsehen und heftige öffentliche Debatten. Nun bildet er den Ausgangspunkt für das Spielfilm-Debüt des jungen Filmemachers Stephan Richter.

Der Film "Einer von Uns" will keine dokumentarische Analyse der damaligen Ereignisse sein, sondern eine filmische Annäherung an die Lebenswelt der Jugendlichen.

Mittagsjournal, 16.11.2015

Es ist eine in Beton gegossene Vorstadttristesse, die Stephan Richters Drama "Einer von uns" einrahmt. Vor dem Supermarkt dominieren kahle industrielle Flächen und eine stumpfe Ausweglosigkeit das Leben der jugendlichen Gang rund um Julian, Marko und Viktor.

Auf dem Supermarktparkplatz wird geraucht und gesprayt, geküsst und gekotzt. Und all das passiert wie selbstverständlich vor dem Hintergrund des grauen Klotzes, der wie ein sozialer Magnet alles anzieht oder abstößt. "Das Bild des toten Jungen in der bunten Welt eines Supermarktes hat mich nicht mehr losgelassen", meint Regisseur Stephan Richter, der sich ganz bewusst für eine Perspektive auf die Geschichte entschieden hat, die stark aus der Welt der Jugendlichen heraus erzählt.

Jugendliche Selbstfindung

Abseits des Kriminalfalls ist "Einer von uns" vor allem eine behutsame Annäherung an eine jugendliche Selbstfindung. Julians Geschichte ist auch die Geschichte eines Außenseiters, der Anschluss findet und in bisher unbekannten Welten seine Grenzen neu auslotet.

Getrübt wird das Kino-Vergnügen lediglich durch die Darstellung des finalen Akts im Supermarkt. Regisseur Stephan Richter entscheidet sich nämlich dafür, die bis dahin ausgewogene Zeichnung seiner Figuren gegen eine schablonenhafte Zuspitzung einzutauschen.

Unmittelbares Kino aus Österreich

Wenn die toten und verletzten Jugendlichen am Boden des Supermarkts liegen, während der kaltblütig schießende Polizist von der Kollegenschaft mit Verständnis und Schulterklopfen empfangen wird, dann bezieht der Film eindeutig Position.

"Einer von uns" ist definitiv kein Film, den man nur so nebenbei schaut, sondern unmittelbares Kino aus Österreich. Ein packendes, mitreißendes und atmosphärisch dichtes Drama, das dazu provoziert einen bekannten Fall mit neuen Augen zu sehen.

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