Weitere Anschläge zu befürchten

Dass die Spur des Terrors schon wieder nach Belgien führt, sei die Folge jahrelanger, verfehlter Integrationspolitik, urteilt der Geheimdienst-Experte Claude Moniquet. Zudem fehle in Belgien ein entsprechender Rechtsrahmen, um Terrorismus angemessen zu bekämpfen. Der Terror-Experte befürchtet, dass weitere Anschläge in Europa geplant werden.

Morgenjournal, 17.11.2015

Aus Brüssel,

Belgien ist Negativ-Beispiel

Klar ist, dass der Kampf gegen den Terror auch eine innerstaatliche Aufgabe ist. Polizei, Justiz und der große Bereich Integration müssen da zusammenspielen. In Belgien funktioniert das nicht, sagt der französische Geheimdienst-Experte Claude Moniquet. Dass Brüssel zu einer Art Terror-Zentrale geworden ist, sieht er als Folge jahrelanger verfehlter Integrationspolitik. Belgien sieht Claude Moniquet geradezu als Beispiel, wie man es nicht macht.

Strengere Strafen und Gefängnis

Ohne Polizeischutz darf er nicht aus dem Haus - Claude Moniquet hat sich seinerzeit als Mitarbeiter des französischen Auslandsnachrichtendienstes DGSE ausreichend Feinde geschaffen. Er lebt mittlerweile in Brüssel. Dass der Stadtteil Molenbeek nach den Anschlägen von Paris wieder im Fadenkreuz der Terrorfahnder steht, überrascht ihn wenig: 70 Prozent der muslimischen jungen Menschen sind arbeitslos und gesellschaftlich ausgeschlossen. Ihnen kann man leicht einreden, dass ihnen nur ihre muslimische Identität bleibt. Und dass ein guter Muslim in den Jihad ziehen muss.

Dass einige der Paris-Attentäter unbehelligt die Anschläge planen und ausführen konnten, sei nicht die Schuld von Polizei und Geheimdiensten. Es liege am Belgischen Rechtsrahmen: Der Polizeigewahrsam darf nur 24 Stunden dauern, unabhängig von der Straftat. Bei Terrorverdacht werden 10, 15 Personen festgenommen. Die müssen alle einvernommen werden. Oft braucht es Dolmetscher. Telefone und Computer müssen ausgewertet werden. Können Sie das in 24 Stunden schaffen? Das ist unmöglich. Dann gehen am nächsten Tag 3 Verdächtige ins Gefängnis und die anderen kommen frei, weil man nicht die Zeit hatte, alles zu überprüfen.

Zudem verlangt Claude Moniquet, dass Syrienheimkehrer mit strengeren Strafen belegt werden. Belgien hat verglichen mit anderen EU-Ländern die größte Dichte an heimischen IS-Kämpfern. Moniquet fordert eine Präventiv-Haft: Die Syrien-Rückkehrer haben sich einer kriminellen Organisation angeschlossen. Es reicht nicht, dass ein Jugendlicher sagt, er habe sich geirrt, er wusste nicht, was das ist. Jeder heutzutage weiß, was der IS ist. Jeder der zurückkommt, muss meiner Meinung nach ins Gefängnis. Und sei es nur um zu sehen, ob er gefährlich ist. Aber man darf ihn nicht ohne weiteres ziehen lassen, um ihm die Möglichkeit zu geben, das zu tun, was er vorhat.

Zumal die Bedrohungslage derzeit besonders hoch sei, sagt der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter, der weiterhin gut vernetzt ist. Die Terror-Miliz Islamischer Staat fühle sich durch die Westliche Allianz bedroht, Moniquet rechnet mit weiteren Anschlagspänen in Europa: Es ist sehr wahrscheinlich, dass es schlimmere Attentate geben wird, als wir jetzt in Paris gesehen haben. Wir haben nicht das schlimmste gesehen. Man weiß - ich darf ihnen nichts Genaues sagen - aber es gibt ziemlich genaue Informationen über Anschläge, die DAESH in Europa plant. Ich hoffe, es gelingt ihnen nicht, aber man weiß von ihrem Ziel, massenhafte Massaker in Europa provozieren zu wollen.

Warnungen, die zuletzt auch der französische Premierminister anklingen ließ und der Anti-Terror-Debatte in Europa Aufschwung geben dürfte.