In Paris gestorben
Die Verbrecher der Anschlagsserie von Paris haben keinen Unterschied gemacht, welcher Nation, Kultur oder Religion ihre Opfer angehören. Der Fliesenleger Saleh El-Gebali, der seine Heimat Ägypten verlassen hatte, um in Paris die Grundlage für die Familiengründung in Ägypten zu schaffen. Der Moslem saß in einem Pariser Cafe, als die Schüsse fielen. Die Wut der Trauernden beim Begräbnis im Nildelta richtet sich gegen die Täter von Paris: Allah möge sie für ihr Verbrechen zur Rechenschaft ziehen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 24.11.2015
Aus Ägypten,
Zur falschen Zeit am falschen Ort
Es geht um die Anschläge von Paris. Über tausend Menschen sind nachts um zwei in einem Ort im ägyptischen Nildelta auf der Straße. Immer wieder skandieren sie den gleichen Satz: Der Märtyrer ist der Freund Gottes, rufen sie.
Aber das ist keine Demonstration, um jene Terroristen zu feiern, die in Paris angeblich im Namen Religion gemordet haben. Hier wird eines der Opfer von Paris in einem islamischen Begräbnis die letzte Ehre erwiesen. Am Abend war die Leiche von Saleh El-Gebali in seinem Heimatort angekommen, nachdem sie die Pariser Behörden endlich freigegeben haben. Paris, Kairo und mit dem Autokorso nach Bana Abu Nuseir, einem 20.000 Seelen Ort im Nildelta drei Autostunden über holprige Wege von Kairo entfernt.
Saleh war in Paris zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Einer seiner Freunde erzählt, dass er in einem Cafe saß, als die Schießerei in Paris losging. „Saleh saß das zusammen mit einem marokkanischen und tunesischen Freund. Der Marokkaner bekam einen Schuss ins Bein ab. Der Tunesier hatte auch zwei Kugeln im Körper. Beide überlebten. Saleh war gleich als erster erschossen worden, bevor die anderen losliefen“.
Die Geschichte des 28jähren Saleh ist eine von Armut und globalisierten Arbeitsmärkten. Vor 20 Jahren hatte es begonnen, dass ein großer Teil der jungen Männer im ägyptischen Dorf in Frankreich ihr Glück versuchten. Denn in ihrem Ort gibt es weder eine Arbeit, noch eine Perspektive. Vor acht Jahren war auch Saleh aus seinem Dorf ausgezogen, um in Paris Arbeit zu finden. Acht Jahre lang hat er für die Franzosen Fliesen gelegt. Acht Jahre hatte er seiner Familie Geld nach Hause geschickt und gespart, um eine Wohnung einzurichten und endlich heiraten zu können. Vor vier Monaten war es dann soweit. Er fand eine ägyptische Braut, im Dorf wurde groß Hochzeit gefeiert. Vor 20 Tagen war Saleh dann wieder nach Paris zurückgekehrt, um Geld für sich und seine neue Frau zu verdienen.
Einem von Salehs Freunden stehen die Tränen in den Augen: „Ich möchte den europäischen Zuhörern sagen, die die das getan haben dürfen sich nicht Muslime nennen oder den Namen ihrer Religion missbrauchen. Das müssen die Europäer unbedingt wissen. Wir haben eine der besten und wertvollsten Menschen in unserem Dorf verloren und er war Muslim“.
Am nächsten Morgen haben sie traditionell Stühle vor dem Haus von Salehs Familie aufgestellt. Um Traugäste zu empfangen, die ihr Beileid zu bekunden. Im Lautsprecher wird der Koran rezitiert.
In der Nacht war Emad, der Vater Salehs beim Begräbnis fast zusammengebrochen. Mühevoll versuchte er sich gestützt von seinen Verwandten aufrecht zu halten, als die ihn nach Hause brachten. Heute sitzt er fast teilnahmslos auf einem der Trauerstühle. Der Nil ist ein paar hundert Meter, Paris ist 3.000 Kilometer entfernt. Aber der Schmerz nach den dortigen Anschlägen kennt weder eine Grenze noch eine Religionszugehörigkeit.