"Ewige Jugend": Sorrentino und das Alter

Spätestens seit seinem Film "La Grande Bellezza" gehört der Italiener Paolo Sorrentino zu den wichtigsten Regisseuren des europäischen Gegenwartskinos, vor allem weil er es immer wieder schafft, den großen Dramen des Lebens mit Absurdität und Wahrhaftigkeit zugleich zu begegnen. Das gilt auch für Sorrentinos neuen Film "Ewige Jugend", in dem zwei alternde Künstler - gespielt von Michael Caine und Harvey Keitel - auf ihr Leben blicken.

Morgenjournal, 26.11.2015

Wenn sich Fred (Michael Caine) und Mick (Harvey Keitel), beide um die 80 zum Frühstück in einem Kurhotel in den Schweizer Alpen treffen, dann gibt es zu aller erst einen aktuellen Prostata-Bericht: "Vier Tropfen waren es heute, mehr oder weniger", so der eine. "Mehr oder weniger?", der andere. "Weniger!" Fred und Mick und das Alter, völlig unterschiedlich gehen die beiden damit um: Der eine, ein renommierter Dirigent, wünscht sich im Ruhestand vor allem vergessen zu werden; der andere, ein bekannter Filmregisseur, kämpft voller Tatendrang gegen den eigenen Bedeutungsverlust.

Was also kann einem das Alter bieten? Eine nostalgische Rückschau in die Vergangenheit? Ein Absitzen der verbleibenden Zeit? Mitnichten: Wer nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft schaue, egal in welchem Alter, könne sich stets eine Art Jugendlichkeit bewahren, so Regisseur Paolo Sorrentino.

Widersprüche des Lebens

Das Leben als ein Blick durch ein Fernrohr von beiden Seiten, als Frage der Perspektiven. Zwischen Darmspülung und Massagesalon, zwischen Seifenblasenshows zur Abendunterhaltung und ausgedehnten Alpenspaziergängen fächert Sorrentino die essentiellen Gegensätze des Lebens auf: Jugend und Alter, Vernunft und Leidenschaft, Schönheit und Verfall, Wissen und Glauben, Hass und Liebe, das alles in Dialogen, die oft ins Leere gehen oder in lakonischer Erkenntnis münden.

Diego-Maradona-Parodie

Den Parcours skurriler Weisheiten durchläuft der Zuseher nicht in einer linearen Handlung, sondern in der atmosphärischen Verdichtung von Irrwitzigkeiten. Selbst Nebenfiguren werden dabei zu Hauptdarstellern, Hotelpersonal und Kurgäste, von einer Diego-Maradona-Parodie mit Karl-Marx-Tätowierung am Rücken über eine Miss Universe bis hin zum schrulligen Kletterlehrer des Hotels. Seinen Fellini wird Paolo Sorrentino - wie schon in "La Grande Bellezza" - wohl nicht mehr loswerden. Warum sollte er auch, ist der italienische Altmeister doch eine formidable Inspirationsquelle, wenn es um die heitere Gleichzeitigkeit von Morbidität, Melancholie und stiller Verzweiflung geht. Trauerspiele dazu können ja andere machen.