"Das Wechselbälgchen" im Volx Margareten
Christine Lavants Erzählung über den Wert und "Unwert" von Leben hat Maja Haderlap für das Wiener Volkstheater dramatisiert; Nikolaus Habjan setzt das Stück für Schauspieler und Puppen um. Premiere ist heute Abend im Volx Margareten, danach wird es im Rahmen von "Volkstheater in den Bezirken" gezeigt.
8. April 2017, 21:58
In diesem Jahr wäre Lavant 100 Jahre alt geworden - Anlass für Ausstellungen, Würdigungen und Lesungen. Erst spät wurde die immer kranke und zurückgezogen lebende Kärntner Dichterin entdeckt, ihre Erzählung "Das Wechselbälgchen" erschien erst 25 Jahre nach ihrem Tod - eine Erzählung aus einem kleinen Kärntner Dorf der Nachkriegsjahre.
Kulturjournal, 4.12.2015
"Im Dorf spricht man, dass sie einen Wechselbalg hat, aber sie tut so, als ob sie das nicht wüsste." - Die einäugige Kuhmagd Wrga hat ein hässliches Glasauge und ein zurückgebliebenes Kind. Zitha heißt das Mädchen und man munkelt, es sei ihr vom Leibhaftigen als Wechselbalg untergeschoben worden. Weil es noch dazu unehelich ist, soll Wrga, den machthungrigen Knecht Lenz heiraten, der dazu bereit ist, aber das Kind loswerden will. Ein Stück - dunkel, unheimlich und anrührend-grotesk wie die Puppen von Nikolaus Habjan selbst, der dazu meint: "Die ganze Erzählung hat einen starken Märchencharakter, ein grausames Märchen mit starken Verknüpfungen zu unserer Jetztzeit."
Habjans liebenswertes Wechselbälgchen
"Ibillimutter" - Ich bin die Mutter - das sind die einzigen Worte, die Zitha sagen kann. Beim Spielen hat es die Worte von anderen Kindern aufgeschnappt. Später werden ihr die mütterlichen Gefühle zum Verhängnis werden. Sehr hässlich und unglaublich liebenswert ist Habjans Wechselbälgchen-Puppe, mit den wenigen abstehenden Haarsträhnen am Kopf und den funkelnden Augen. "Die Zitha beweist in dem Stück die größte Menschlichkeit, in dem sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt, um die Schwester zu retten", so Habjan.
Spätestens seit seinem Erfolgsstück "F. Zawrel - erbbiologisch und sozial minderwertig" scheint Habjan auch auf die Thematik spezialisiert zu sein. Auf Christine Lavant ist er zufällig gestoßen: "Ich hab im Zuge der Recherche zu 'F. Zawrel' in einer Buchhandlung die Bücher 'Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus' und 'Ein Kind' gefunden, die ich dann in einer Nacht ausgelesen hab. Seit damals ist Christine Lavant auf meinem Radar."
Erstmals nur Regisseur
Auf dem Radar von Anna Badora war Nikolaus Habjan schon lange, seine Umsetzung von Camus Text "Das Missverständnis" hat sie aus Graz ans Volkstheater mitgenommen. Beim "Wechselbälgchen" ist Habjan zum ersten Mal nicht aktiv auf der Bühne, sondern nur Regisseur. Zufrieden ist er sowohl mit der von Jakob Brossmann entworfenen Bühne, die aus drei hölzernen Schaukästen mit Alpenpanorama besteht, wie auch mit den vier Darstellern Claudia Sabitzer, Seyneb Saleh, Gabor Biedermann und Florian Köhler.
Auch der strenge Dorfpfarrer oder die alte Wunderheilerin werden von Puppen dargestellt. "Der Pfarrer, der die moralische Instanz verkörpert, der bestimmt, wie man leben muss, was gehörig ist, auf der anderen Seite das Schwundweiblein, das außerhalb der Kirche steht. Diese zwei Instanzen, zwischen denen sich Wrga bewegt, die bauen wir auch mit Puppen", erklärt Habjan.
Vom Puppenbauer und Puppenspieler im kleinen Schuberttheater legte Habjan in den letzten drei Jahren eine steile Karriere hin, spielte am Burg- und Volkstheater und wird demnächst mit seinem Spiegelgrund-Stück auf Tournee durch Deutschland und die Schweiz gehen. Im Sommer ist er Gast bei den Bregenzer Festspielen, derzeit plant er Goethes "Faust" für das Next Liberty in Graz. Auch das "Wechselbälgchen", soviel lassen die Proben schon vermuten, wird dafür sorgen, dass die Erfolgswelle des Nikolaus Habjan zumindest noch ein Weilchen anhält.
Service
Volkstheater - Das Wechselbälgchen
Premiere ist heute Abend im Volx Margareten, dem früheren Hundsturm, danach wird es in den Bezirken gezeigt.