Versorgungskrise in Nepal
Nach dem verheerenden Erdbeben mit rund 9.000 Toten ist Nepal, eines der ärmsten Länder der Welt, mit der nächsten humanitären Krise konfrontiert. Seit Ende September sind die Handelswege von und nach Indien blockiert, kaum kein Tanklaster kommt mehr über die Grenze – das Himalaya-Land ist mitten im Winter in einer akuten Versorgungskrise.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 9.1.2016
Aus Nepal,
Grenze blockiert
Hektisch, laut und chaotisch, bricht der Verkehr in Kathmandu in den Stoßzeiten regelmäßig zusammen. Davon ist derzeit nichts zu spüren. Stattdessen: kilometerlange Kolonnen bei den Tankstellen. Drei bis vier Tage lang muss man auf eine 15-Liter-Ration warten. Auf dem Schwarzmarkt kostet ein Liter Benzin umgerechnet bis zu 7 Euro. Die wenigen Busse, die unterwegs sind, sind heillos überfüllt, Menschen hocken auf dem Dach-Gepäcksträger. Seit Ende September sind die Grenzübergänge nach Indien dicht.
Bei dem Streit geht es um die neue Verfassung Nepals. Ethnische Minderheiten im Süden des Landes sehen sich darin benachteiligt und protestieren zum Teil gewalttätig, mehr als 50 Menschen starben. Schuld an der Grenzblockade sei Indien, sagt Nepal, es sei eine Blockade aus machtpolitischen Erwägungen. Schuld sei Nepal, sagt Indien, die Lastwagenfahrer trauten sich wegen der Proteste nicht über die Grenze.
Keine Transporte – das heißt auch: Kinder können nicht in die Schule fahren. Es gibt stundenlange Stromabschaltungen und kein Kochgas, mehr als 2.000 Fabriken mussten schließen, Lebensmittelpreise haben sich fast verdoppelt, Krankenstationen haben keine Medikamente mehr.
Die Kinderhilfsorganisation Unicef hatte schon im November gewarnt, dass in diesem Winter mehr als drei Millionen nepalesische Kinder in Gefahr seien. Antibiotika fehlen mittlerweile ebenso wie Impfstoffe gegen Tuberkulose. Nicht zuletzt stagniert der Wiederaufbau nach dem Erdbeben. Mehr als acht Monate nach der Katastrophe leben noch immer Tausende in Zelten – bei nächtlichen Temperaturen um den Gefrierpunkt gibt es bereits erste Kältetote, sagt Ashok Aryal. Er arbeitet als Guide.
Der Tourismus, in Nepal der zweitwichtigste Wirtschaftssektor, ist um mehr als 70 Prozent zurückgegangen: Der wirtschaftliche Schaden durch die Blockade ist größer als der Erdbebenschaden, meint Lakshmi Avala, die in Bhaktapur ein Gästehaus leitet. Die Vereinten Nationen haben an alle Seiten appelliert, die Blockade aufzuheben, bisher aber ohne Erfolg.