Spannende Wahlen in Taiwan

In Taiwan finden mit Spannung erwartete Wahlen statt, die über den weiteren politischen Kurs des Inselstaates entscheiden werden. Meinungsumfragen sagen schwere Verluste für die regierende Kuomintang-Partei voraus, die zuletzt auf engere Beziehungen zu Festlandchina gesetzt hat. Einen möglichen Machtwechsel in Taiwan sieht Peking besorgt entgegen.

Morgenjournal, 16.1.2016

Angst vor Verlust der Eigenständigkeit

In den letzten Jahren hat sich in Taiwan ein lebendiges Mehrparteiensystem entwickelt. Für 19 Millionen Wahlberechtigte sind die Wahllokale seit den frühen Morgenstunden geöffnet. Im vorangegangenen harten Wahlkampf ist die regierende Kuomintang in die Defensive geraten.

Die einstige Staatspartei, mit der sich Tschiang Kai Schek nach der Niederlage gegen Maos Kommunisten nach Taiwan zurückgezogen hat, hat an der Regierung die wirtschaftliche Verflechtung Taiwans mit dem modernen China von heute erfolgreich vorangetrieben. Die enge Verbindung löst jetzt jedoch massive Ängste vor einem Verlust der Eigenständigkeit aus.

Tsai Ing-wen geht als Favoritin in die Wahl

Favoritin für das Präsidentenamt ist Oppositionskandidatin Tsai Ing-wen, die wenig Freunde in Peking hat. Als Präsidentin will sie die Eigenständigkeit Taiwans gegenüber dem übermächtigen Nachbarn stärken. Kuomintang-Spitzenkandidat Eric Chu pocht dagegen auf Kontinuität in den Beziehungen mit China.

Trotz großer Profite taiwanesischer Firmen auf dem Festland kommt Taiwans Wirtschaft selbst nicht vom Fleck. Das verlangsamte Wachstum in China drückt zusätzlich auf die Stimmung. Große Teile der Jugend verlangen die formelle Unabhängigkeitserklärung für Taiwan - für Peking wäre das eine Provokation. Die Wiedervereinigung mit der Insel, wenn nötig auch mit Waffengewalt, ist ein offizielles Ziel der chinesischen Außenpolitik.

Rockstar Freddy Lim mischt im Wahlkampf mit

Im Wahlkampf hatte eine neue Partei des Rockstars Freddy Lim große Wellen geschlagen, der sich von China formell lossagen will. Lim, der auch für Amnesty International aktiv war, ist ein rotes Tuch für Peking. "Wir sind mehrmals eingeladen worden in China zu spielen, aber die Konzerte werden immer verboten", erzählt der junge Politstar und Musiker.

Geworben wurde bis zuletzt für die Parlamentswahlen in Taiwan. Bei der Abschlusskundgebung in Taipeh mit zehntausenden Anhängern demonstrierte die langjährige Regierungspartei, dass sie sich nicht so leicht geschlagen gibt. Eine Mehrheit der auf Distanz zu Peking pochenden Parteien ist aber auch im Parlament nicht ausgeschlossen. Dementsprechend gespannt werden auch im fernen Peking auf die Ergebnisse in diesem für die chinesische politische Kultur einzigartigen freien Wahlvorgang in Taiwan erwartet.