Roman von Martin Walser

Ein sterbender Mann

Ein zentrales Thema in Martin Walsers Literatur war immer schon die Liebe, so auch im jüngsten Roman "Ein sterbender Mann". Darin dreht sich alles um einen 72-jährigen erfolgreichen Firmenchef, der von seinem besten Freund zu ökonomischem und emotionalen Fall gebracht wird. Zumindest will es zunächst so scheinen.

Nebelhügel, Buchcoverausschnitt

ROWOHLT VERLAG

Katja Gasser

Was die Besonderheit der Freundschaft dieser zwei Männer ausmacht ist der Umstand, dass der eine ein Mann des Geldes ist und der andere ein Mann des Geistes, ein Dichter. Geist versus Geld, Erzrevoluzzer versus Erzkapitalist, links versus rechts: moralisch aufgeladene Dichotomien, die im Verlauf des Textes zunehmend als fahrlässige Vereinfachungen der Wirklichkeit, als Verfälschungen derselben deutlich gemacht werden.

Die Hauptfigur Theo Schadt schließt sich nach dem Verrat durch seinen Freund einem Online-Suizidforum an, zur gleichen Zeit verdreht ihm im Tangogeschäft seiner Frau eine Kundin den Kopf: Sie zieht ihn im Zuge einer Art Epiphanie in den Bann - die Sehnsucht nach dieser Liebe ist eine der Triebfedern dieses Romans.

Martin Walsers Buch ist aber nicht nur ein Roman in Briefform über das Naheverhältnis von Liebe und Tod, Leidenschaft und Verzweiflung, vielmehr auch ein Text darüber, was Literatur kann und soll. Es steckt darin eine Abrechnung mit den Posen des Literaturbetriebs, mit den Worthülsen der Literaturkritik, mit den Selbstmystifizierungen von Schreibenden, eine liebevolle Abrechnung allerdings voller Witz, basierend auf einer sehr genauen Kenntnis der Sachlage. Selbstkritik inklusive.

Service

Martin Walser, "Ein sterbender Mann", Roman, Rowohlt Verlag