Roman von Ernst Weiß
Der arme Verschwender
Der 1936 erschienene Roman von Ernst Weiß wurde in der zeitgenössischen Kritik für seine realistische Gestaltung gelobt; ein Zeitdokument, in dem der Autor die Seelenlandschaft seiner Epoche mit der Meisterschaft eines großen Psychologen vermisst. Eine Aufforderung zum Wiederlesen.
8. April 2017, 21:58
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Ernst Weiss, "Der arme Verschwender", Roman, Suhrkamp Taschenbuch
In seinem Lebensbericht zeichnet der Ich-Erzähler die Entwicklung seines glücklosen Lebensweges an der Konfliktlinie der Beziehung zu seinem Vater entlang nach. Kindheit und Jugend erlebt der Sohn einer großbürgerlichen Familie um die Jahrhundertwende in der österreichisch-ungarischen Monarchie, der Vater hat es als Augenarzt zum Professor gebracht, und er hat - nach einer schweren Jugend - ein ansehnliches Vermögen erwirtschaftet: Es zu vermehren, ist seine Leidenschaft. An der unterschiedlichen Bewertung von Geld offenbart sich die Kluft zwischen Vater und Sohn.
Die Vaterwelt, das ist die sichtbare, die materielle Welt, der Vater möchte den Sohn darin am liebsten als Kaufmann sehen, der sein Geld verwaltet. Den Sohn wiederum faszinieren die Geheimnisse der nicht sichtbaren Welt, er will das väterliche Erbe in anderer Weise antreten und möchte Medizin studieren, um Nervenarzt zu werden.
Alfred Döblin
"Der Autor strengt nie die Stimme an. Die Dinge gleiten ganz reibungslos durch die simple Sprache. Es ist eine Erzählung eher als ein Roman, das Buch berichtet, und man hat - großes Lob - das Gefühl, es könnte alles wahr sein."
Die Geschichte vom "armen Verschwender" ist das Protokoll des Schicksalsweges eines Menschen, dem es trotz immenser Bemühung und Anstrengung nicht gelingt, sein Leben zu gestalten und sich aus schicksalhaften Verstrickungen zu befreien. Dabei - und darin liegt die Qualität dieses Romans - gibt es auch in den Charakterporträts der anderen keine Eindeutigkeit, kein Schwarz und Weiß, sondern sehr viel Grau.