Wahlen im Iran

Konservative Hardliner gegen einigermaßen Reform-Orientierte, der politische Streit im Iran geht in die nächste, vielleicht in die entscheidende Runde. Übermorgen, am Freitag, sind 50 Millionen Menschen aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen.
Dort haben bisher Konservative bis Radikale das Sagen. Die wollen auch jetzt dafür sorgen, dass die Wahlen in ihrem Sinn ausgehen.

Mittagsjournal, 24.2.2016

Aus Teheran,

Im Iran geht der politische Streit zwischen den Hardlinern und dem Lager der Pragmatiker und Reformer in die nächste, entscheidende Runde. Am Freitag wird ein neues Parlament gewählt, 50 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Der pragmatische Präsident Hassan Rohani braucht die Unterstützung des bisher von Konservativen und Radikalen dominierten Parlaments für wirtschaftliche und politische Reformen. Tausende liberale Kandidaten wurden vom konservativen Wächterrat von den Wahllisten gestrichen. Große Wahlkundgebungen auf den Straßen sind Irans Reformern untersagt und so läuft eine breite Kampagne in Online-Foren und auf sozialen Medien. Trotz aller politischer Widrigkeiten hoffen Irans moderate Kräfte trotzdem auf einen Erfolg.

Irans kritischen Geistern ist Zynismus keinesfalls fremd. Und so sprechen viele von einer demokratischen Wahl allerdings mit iranischer Charakteristik. Es darf gewählt werden. Aber zur Wahl stehen nur Kandidaten, die zuvor vom konservativen Wächterrat auf ihre Loyalität zur islamischen Republik unter die Lupe genommen wurden.

Auf den Straßen Teherans sind potentieller Wähler zu beobachten, die Wände voll mit Kandidatenlisten und hunderten Namen studieren. Die chancenreichsten Bewerber finden sich auf den Wahlplattformen der beiden großen politischen Blöcke: Radikale, Hardliner des religiösen Establishments auf der einen Seite. Gemäßigte Konservative, Pragmatiker und Reformer rund um den moderaten Präsidenten Hassan Rohani auf der anderen. Rund um ihn hat sich eine Koalition aus Gruppen mit recht unterschiedlichen politischen Ansichten gebildet, die Rohanis Kurs der moderaten Öffnung unterstützt.

Vor einer Turnhalle im Zentrum Teherans verteilen Anhänger der Reformkoalition Listen mit den Namen der Kandidaten. In der Halle, auf den Zuschauerrängen sind viele Frauen zu sehen, deren Kopftücher deutlich nach hinten gerutscht sind. Ein klares, politisches Statement. Auch ein Drittel der Kandidaten auf den Listen des Reformlagers in Teheran sind Frauen: „Unsere Gegner haben alles unternommen um möglichst viele von uns von der Wahl auszuschließen“, sagt die ehemalige Parlamentsabgeordnete und Reformerin Shahrbanoo Amani. „Darunter waren auch viele Kandidatinnen. Damit ist klar, dass viele jener, die jetzt gewählt werden, keine Legitimation haben.“

Politische Kundgebungen auf offener Straße sind ihnen untersagt. Und so finden Wahlveranstaltungen der Reformkoalition eben in der Turnhalle statt. Oder im Internet wo gerade jetzt in den Tagen unmittelbar vor der Wahl eine massive Kampagne abläuft.

Ein Unterstützungsvideo des von den iranischen Medien ignorierten ehemaligen Reformpräsidenten Mohammad Khatami auf Telegram wurde innerhalb von 24 Stunden 3 Millionen Mal geklickt. Ein Viertel der iranischen Bevölkerung nutzt die mobile Nachrichten-App Telegram bereits: „Wo auf der Welt werden Wahlen so unfair abgehalten wie bei uns“ bekommen wir auf der Straße zu hören. Es sei wie einem Fußballspiel sagt dieser Mann. Hunderte spielen für die eine Mannschaft, ein paar Dutzend für die andere Seite. Wer glauben sie wird da gewinnen? Einige erzählen uns auch, dass sie gar nicht zur Wahl gehen werden.

Neben dem Parlament wird auch der Expertenrat gewählt. Das Gremium aus hochrangigen Geistlichen entscheidet über den künftigen obersten geistlichen Führer des Landes und ist deshalb aufgrund des vorgerückten Alters des derzeitigen für die künftige Ausrichtung der islamischen Republik zentral.

Öffentliche Beschwerden des moderaten Präsidenten zum Ausschluss vieler Kandidaten werden im Gegenlager zynisch kommentiert. Die Kritik am Zensurorgan, dem konservativen Wächterrat, sei nur ein Komplott sagt der oberste geistliche Führer Ayatollah Khamenei.

Auch wollen Gerüchte nicht verstummen wonach die Hardliner am Freitag hunderttausende ihrer konservativen Anhänger vom Land in Bussen nach Teheran karren wollen. Damit die hier ihre Stimmen abgeben und die Wahl moderater Kandidaten verhindern können.

Im reformorientierten Lager herrscht trotz aller Hürden Optimismus. Viel wird davon abhängen, ob die Koalition aus Pragmatikern und Reformern rund um den Präsidenten die Menschen tatsächlich auch zu den Urnen bringen kann. Ist die Wahlbeteiligung hoch, und die lebendige Kampagne in den sozialen Medien könnte dafür ein Hinweis sein, dann könnte es für die konservativen Beharrungskräfte im Iran tatsächlich ein schwarzer Wahltag werden.