Karikaturist Gerhard Haderer im Gespräch
Er ist einer der hintergründigsten und subversivsten satirischen Zeichner und Maler des deutschsprachigen Raums: Gerhard Haderer. Anlässlich der umfassenden Personale im Karikaturmuseum Krems spricht er über die katholische Kirche, das Teilen und über Caravaggios "Taschenspielertricks".
8. April 2017, 21:58
Sein kirchenkritisches Buch "Das Leben des Jesus" sorgte 2002 für internationalen Aufruhr. Haderers 65. Geburtstag Ende Mai nimmt das Karikatur Museum Krems zum Anlass, die bisher größte Werkschau des Künstlers auszurichten; erstmals zu sehen sind auch großformatige Ölgemälde. In 140 Arbeiten lässt die Ausstellung "Gerhard Haderer. Think Big!" über drei Jahrzehnte österreichische, deutsche und europäische Politik- und Sozialgeschichte Revue passieren.
Service
Karikaturmuseum Krems - Gerhard Haderer. Think Big!
28.2. bis 11.11.2016
Tabakfabrik Linz – Schule des Ungehorsams
Kulturjournal, 26.2.2016

Diverse Habsburger, 1993 (Ausschnitt)
Landessammlungen Niederösterreich
Gerhard Haderer, 2016
Ein Besuch auf Malta regt Gerhard Haderer an, "diese Ölschinken zu gestalten": "In der Johanneskathedrale von Valletta gibt es die 'Enthauptung des Johannes' von Caravaggio. Als ich gesehen hab, mit welchen Taschenspielertricks der Kollege arbeitet: Lichtführung ist eine inszenatorische Facette, die ganz wichtig ist, um eine Aussage ins Zentrum zu rücken, und ansonsten das Format sehr schnell und sehr kraftvoll dunkelbraun zugeschmiert - den Auftrag habe ich verstanden und in diesem Stil werde ich weiterarbeiten. Und so habe ich versucht Caravaggio aufzunehmen, ohne ihn zu kopieren."

Messias im Vatikan, 2014 (Ausschnitt)
Öl auf Leinwand
180 x 250 cm
Gerhard Haderer, 2016
Sie sind der bekannteste zeichnende Kirchenkritiker - nicht Religionskritiker - des Landes. Ist Ihr Gemälde "Messias im Vatikan" - verglichen mit Ihrem Buch "Das Leben des Jesus", das diesen großen Skandal hervorgerufen hat - nicht ungleich mehr eine Bombe?
Der Skandal war meiner Meinung nach völlig überflüssig; das naive Büchlein hat nichts anderes intendiert, als das, was Papst Franziskus zurzeit von sich gibt. Ich hab damals eine Art Aufruf zur Mäßigung lanciert: Bitte kümmert euch endlich wieder drum, was dieser vermutlich sehr intelligente Mann gepredigt hat, und macht daraus nicht eine Show, die Macht als Zentrum hat …
… und Raffgier, Verschwendung Protz. Das ist die Botschaft des Buches. Und Jesus kifft. Er ist ein freundlicher, kiffender, friedensbewegter Mensch.
Genauso ist es. Und jetzt habe ich den Messias im Vatikan dargestellt, der den Papst rügt, nicht einen realen. Er ist ein Symbol für diese katholische Kirche. Ich war immer ein Fan von Jesus, aber ich weiß ganz genau, was ich an der realen Kirche, an dem Bodenpersonal zu kritisieren hab.

Das Attentat, 2012 (Ausschnitt)
Öl auf Leinwand
180 x 250 cm
Gerhard Haderer, 2016
Jeder Mensch fragt sich, wie war es nur möglich, dass eine derart mickrige Figur ein derartiges Phänomen zustande brachte, unter dem wir heute noch leiden. Und so wollte ich diese Mickrigkeit dieses Vorfalls großformatig in fettes Öl tauchen. Ich glaube, dass diese Ästhetik besonders diejenigen, die diesem Mythos hinterhersehnen, ganz besonders erreicht.
Geht es um die Spannung zwischen dem schönen musealen Bild und dem Sarkasmus?
Unbedingt. Es geht auch darum, dass man mit dieser klassischen Malerei eine bestimmte Art von Heiligkeit manchmal verbindet. Der Betrachter hat eine Distanz zu diesen Bildern und geht völlig verklärt ran. Mit diesem Vorzeichen zu spielen, ist eine großartige Herausforderung. Und dieses Spiel ist eines, das mich sehr anregt, bis zu drei Monaten an einem Bild zu arbeiten.
Sie haben etliche Zeichnungen gemalt über Lampedusa, Herbergssuche, ein Schlauchboot an einer steilen Klippe und darüber feiern die Leute auf einer Restaurantterrasse. Wenn Sie Politiker wären, was würden Sie versuchen, um mit der großen Menge an Schutzsuchenden, umgehen zu können?
Ich glaube nicht, dass Sie von mir jetzt eine Lösungsstrategie erwarten, das wäre vermessen und fahrlässig; aber als ich so dreißig war und begonnen hab, meine ersten Witze zu zeichnen, hat mir jemand den Satz entlockt: "Wir müssen anfangen zu teilen." Dafür habe ich mich fast schon geschämt, weil das klang wie das Wort zum Sonntag. Aber mittlerweile glaube ich, ist es das Stichwort, das wir uns alle auf die Fahnen schreiben müssen. Wir schwimmen hier im Luxus und wollen das mit Zäunen befestigen, damit daran niemand teilhat. Wir schwimmen im Luxus und andere ertrinken im Mittelmeer. (…) Was ich mit nicht nehmen lasse, ist mein unbändiger Optimismus zu glauben, dass wenn wir es lösen wollen, wir es können.
Dass Strategien gefordert sind, die diese Riesenprobleme auch erträglich machen, ist mir schon klar. Aber ich habe bisher noch von Politikerseiten nichts gehört, was mich hätte einnehmen können … außer "wir brauchen einen Marshallplan, um den Menschen in ihren Ländern Umstände zu ermöglichen, die sie weiterleben lassen. Damit sie nicht flüchten müssen." Dazu gehört: Stopp dem Waffenverkauf an die kriegsführenden Länder - dann gibt es weniger Krieg; Gegenden, in denen man nicht mehr leben kann, weil sie ausgebeutet wurden, die brauchen dringend materielle Unterstützung.