Claus Peymann im Interview
Am Burgtheater ist am Samstag die Uraufführung von Peter Handkes "Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße - Ein Schauspiel in vier Jahreszeiten" unter Jubel zu Ende gegangen. Nach seiner Comeback-Inszenierung an der Burg spricht Claus Peymann über die Kraft eines Textes, die Wiener Direktionszeit und den "Kuss der Theatergeschichte".
8. April 2017, 21:58
APA/ROLAND SCHLAGER
Kulturjournal, 29.2.2016
Als "aufregend und schön" beschreibt Claus Peymann die aktuelle Produktion an der Burg, eine Koproduktion mit dem Berliner Ensemble. Nach den großen Schlachten der Vergangenheit sei es nicht zu erwarten gewesen, dass ihn so viele Wiener/innen ins Herz schließen. Aber "Zeit heilt Wunden, die Zeit veredelt", so Peymann. Er verstehe seine Arbeit als jemand, der immer nur dort ist, wo er Direktor ist. "Wer Peymann sehen wollte, musste nach Wien gehen; wer Peymann sehen will, muss nach Berlin gehen." Davon sei er jetzt abgewichen, da es sich um eine Koproduktion handle.
"Beim Spielen beweist sich die Kraft des Textes"
Den Begriff "Lesetheater" lehnt Peymann ab, er wisse gar nicht, was das sei. Er habe eine Aufführung von "Faust II" gemacht, "da war der Teufel los". Natürlich lese man ein Stück, aber man mache auch gewaltige Striche, um einen Abend, der Vergnügen und Spannung hat, hervorzubringen. Es gehe um sieben oder halb acht los und dauere bis elf, und "das ist die Melodie, das ist der Satz, der gespielt wird", betont Peymann. Egal ob "Heldenplatz", das "Sportstück" von Elfride Jelinek oder "Tod und Teufel" von Peter Turrini - es gehe ums Spielen und da beweise sich, die Kraft eines Textes.
"Ist es etwas, was Schauspieler verkörpern können, sodass es lebt? Wir müssen daran nichts verbessern, wir müssen auch nichts mit Video erläutern, wir müssen auch nicht mit Verstärkern arbeiten, sondern die menschliche Stimme vermittelt im Spiel entweder die vorhandene oder die nicht vorhandene Kraft eines Textes", so Peymann. Das europäische Theater basiert ausschließlich auf der Literatur, das unterscheide es auch vom chinesischen oder afrikanischen Theater, unterstreicht Peymann. "Die Literatur ist die Basis und dieses Stück ist größte Literatur". Längst hätte Handke den Literaturnobelpreis verdient.
Direktionsjahre 1986 bis 1999
1986 habe Gerd Voss mit "Richard III." Peymann die Tür in Wien geöffnet. "Sie müssen sich gar keine Wohnung nehmen, sie fliegen eh vorher raus. Gehen sie ins Hotel", habe ihm Bernhard damals geraten. "Und dann hat es doch 13 Jahre gedauert, ehe ich gehen wollte." Peymann bezeichnet diese Zeit als "Glückssekunde" und "Schicksalsgeschenk", als "zum ersten Mal in diesem Nationaltheater österreichische Autoren dieses große Haus gefüllt haben": Peter Handke, Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek oder Peter Turrini.
Man habe Nestroy, Raimund, selbst Schnitzler zunächst nicht gespielt, unterstreicht Peymann. "Dass das Haus einmal für die offen stand, für die es eigentlich gebaut wurde - nicht nur für die Schauspieler und schon gar nicht für die Regisseure und Bühnenbilder, sondern für die Dichter." Diese Chance habe "ausgerechnet ein herber Piefke aus Bremen" gehabt, diese lebenden Autoren zu einer einmaligen Zeit zusammenzuführen. Und dass er nun mit Handkes neuem Stück anschließen konnte, das sei "der Kuss der Theatergeschichte".
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Burgtheater - Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rande der Landstraße