Roman von Anna Katharina Hahn

Das Kleid meiner Mutter

Falsche Fährten, verwegene Wendungen und immer neue Spuren, die ins Unbekannte, oft auch Unwegsame führen: Anna Katharina Hahns neuer Roman ist eine ungebändigte Tour de Force durch das Deutschland und Spanien der vergangenen siebzig Jahre und darin fast schon eine Gespenstergeschichte der anderen Art.

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Anna Katharina Hahn, "Das Kleid meiner Mutter", Roman, Suhrkamp Verlag

In früheren Büchern protokollierte die Autorin Leben und Ängste des deutschen Mittelstands, und das feinsinnig und subtil. Doch diesmal bricht sie aus und sucht das Weite. Was sehr erfreulich ist.

Madrid, Sommer 2012: Anita ist arbeitslos und musste daher zu ihren Eltern zurückziehen. Als sie von einem Spaziergang zurückkehrt, findet sie diese tot vor. Anita will die auf dem elterlichen Konto eingehenden Zahlungen weiter abschöpfen, und so beginnt sie, die Kostüme ihrer Mama Blanca zu probieren, deren Parfum und deren Schmuck zu benutzen und damit in eine fremde Identität zu schlüpfen. Aber je mehr Anita in der Rolle der schönen, aber unnahbaren älteren Frau aufgeht, umso unerbittlicher enttarnt sie deren Geheimnisse.

Der Roman stürmt von der Gegenwart in die düstere Zeit des deutschen und spanischen Faschismus und wieder zurück. Er passiert dabei die Nachkriegsjahre und die Versuche, die Erinnerungen an Bürgerkrieg und Diktatur zu überwinden und an die Versprechungen der neuen Machthaber zu glauben. Das vor dem Hintergrund eines literarischen Vexierspiels: mit Seitenhieben auf die Selbstinszenierungen der Dichter und Dichterinnen, auf die Eitelkeiten der Verleger und die hündische Ergebenheit einer Leserschaft, die den Schriftstellern in die Falle geht.