Hochkarätiges Ö1 Hörspiel "Die Juden"

Der ORF hat zusammen mit dem Norddeutschen Rundfunk eine Hörspiel-Fassung von Gotthold Ephraim Lessings Komödie "Die Juden" produziert. Unter den Mitwirkenden finden sich Michael Maertens, Cornelius Obonya oder Brigitte Karner. Ö1 sendet das Hörspiel diesen Samstag in der "Hörspiel-Galerie".

Karl Markovics und Brigitte Karner

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Kulturjournal, 2.6.2016

Wer hier gut und wer böse ist, steht schnell fest: Der Vogt, gesprochen von Karl Markovics, ist der schmierige Bösewicht, der mit Klebebart vermummt seinen eigenen Herren überfallen hat; Michael Maertens gibt den aufgeklärten, philosophierenden und auch ziemlich belehrenden Reisenden, der die Tat gerade noch verhindern konnte. Inmitten einer bigotten, gierigen und kleinkarierten Landadelsgesellschaft ist der Reisende der einzige weit und breit, der nach dem Guten und Wahren strebt. Für seine Wohltat will ihm der Baron am Ende sogar seine Tochter zur Frau geben - doch dann enthüllt der Reisende die grausame Wahrheit: "Ich bin ein Jude."

Nur vordergründig eine leichte Komödie

Mit seinem Frühwerk "Die Juden" hat Gotthold Ephraim Lessing nur vordergründig eine leichte Komödie geschrieben: Der stets betrunkene Diener, das lüsterne Kammerfräulein, der naive Baron - alle sind sie Antisemiten, und ihr unverhohlen vorgetragener Hass gegen Juden sorgt für Beklemmung.

Peter Matic, der als Baron zu hören ist, hat bereits in den 1960er Jahren bei einer Josefstadt-Inszenierung des Stücks in Wien mitgewirkt. "Ich habe mich nicht erinnert, dass das Stück so böse ist. Wir haben es in Kombination mit Handkes ‚Publikumsbeschimpfung‘ gespielt. Es war ein Einakter-Abend, Hans Hollmann hat Regie geführt. Ich weiß nicht, ob damals, nicht so lang nach dem Krieg, irgendwelche Stellen gestrichen waren", sagt Matic. 2003 hat George Tabori "Die Juden" auf die Bühne des Berliner Ensembles gebracht - es ist heute eine der bekanntesten Inszenierungen, die immer noch gespielt wird.

"Das Gold des Hörspiels ist der Dialog"

In der Hörspiel-Fassung von "Die Juden" führt nun Leonhard Koppelmann Regie; auch für ihn ist es nicht die erste Erfahrung mit dieser Komödie. In den 90er Jahren hat er sie bereits am Hamburger Thalia Theater inszeniert. Er bezeichnet "Die Juden" als "bittere Komödie".

"Weil in so einem heiteren und erst auch naiven Setting ein Misston auftaucht, den man so nicht erwarten würde; der ganz kriminalistisch und spannunsdramaturgisch von Lessing eingebaut ist. Es ist ein sehr auf die Wirkungsästhetik gebautes Stück - und das sehr geschickt gemacht." Überhaupt, so Koppelmann, wäre Lessing heute ein vorzüglicher Hörspiel-Autor. "Das Gold des Hörspiels - würde ich ja immer sagen - ist der Dialog, und da besitzt Lessing absolute Meisterschaft: Mit wenigen Repliken eröffnet er einen ganzen Figurenkosmos und auch eine sehr komplexe Verhandlungsebene."

Am Ende kommt es zwar zur Verbrüderung, doch es ist ein Happy End mit Bauchweh: Denn die Vorurteile bleiben bestehen. Seinen Nathan den Weisen ruft Lessing eben erst dreißig Jahre später auf den Plan.