Nationalstraße

25. Februar 2019, 18:08

Ein irritierender erster Satz: "Adolf Hitler hat mir das Leben gerettet." Dann Wald, Feuer und alte Krieger. Und ein Staccato von lmperativen, die sich gelegentlich defensiv geben, aber unverhohlen aggressiv sind - so beginnt der Roman. Erst nach und nach klärt sich die Szenerie: "Man nennt mich Vandam", lautet der jeweils erste Satz von drei aufeinander folgenden Kapiteln, und der Mann, der stolz darauf ist, nach dem Action-Schauspieler Jean-Claude Van Damme genannt zu werden, bereitet im Wald seinen Sohn auf kriegerische Angriffe vor; denn wie er Geschichte nur als Abfolge von Kriegen begreift, so erwartet er auch für die nahe Zukunft einen Krieg.

lm Kommunismus war der Mann Polizist. Ob er tatsächlich jener Polizist war, der mit seinem Vorgehen 1989 die Samtene Revolution provozierte oder ob er das das nur flunkert und selbst glaubt, lässt der Roman offen. Sicher ist, dass er in Gegensatz zu seinem Bruder zu den Verlierern dieser Revolution gehört und sich am absteigenden Ast befindet. Diese Baum-Metapher ist auch deswegen angebracht, weil der Mann mehr auf den Wald und das Ende der Zivilisation setzt als auf die Plattenbausiedlung, in der er wohnt.

lrritierend ist dieser "Patriot aus der Prager Nordstadt", wie er sich selbst nennt und in all der Konkretheit und lndividualität, in der er gezeichnet ist, ist er auch die wunderbare Verdichtung einer Mentalitätsdiagnose. "lch wollte ein Buch schreiben über unsere tschechische Angst. Über Vorurteile. Über Unsicherheit. Über Hass. Über Aggression", schreibt Jaroslav Rudis im Nachwort zur deutschen Ausgabe. Und das ist ihm trefflich gelungen.