Erzählungen von Georgi Gospodinov
8 Minuten und 19 Sekunden
Wunderlich, schräg und absurd sind die Erzählungen von Georgi Gospodinov bisweilen. Techniken für das Anlocken von Geschichten werden zum Beispiel vermittelt: keinesfalls darf man "wie ein Jäger wirken". Ein weiterer Ratschlag: "bloß kein Geruch nach Schriftsteller, die Geschichten wittern die Falle sofort."
8. April 2017, 21:58
Georgi Gospodinovs Erzählungen spielen oft zwischen Amerika, Kanada oder dem Westen Europas. Oft sind sie ganz nahe an der Lebensrealität Bulgariens in den letzten Jahrzenten. Die längste davon trägt den Titel "Das Ritual" und schildert die Verfilmung einer Hochzeit im Jahr 2007: Die Menschen im Dorf müssen allerdings ohne Brautpaar Hochzeit feiern, denn das heiratet in Kanada.
Sehr unterschiedlich sind diese Geschichten, und jedenfalls mit allen Wassern der Erzählkunst gewaschen. Oft haben sie suggestive erste Sätze wie "Kastor P. ging sterben". Nicht alle der zum Teil als Auftragsarbeiten entstandenen Texte sind auf gleichem Niveau. Leider gehört ausgerechnet die titelgebende erste Erzählung "8 Minuten und 19 Sekunden" zu den schwächeren. Von der weiteren Lektüre sollte man sich davon aber keineswegs abhalten lassen, denn Georgi Gospodinov hat wirklich Stoffe zu erzählen, die nicht nur die Gegenwart Bulgariens ausleuchten, sondern auch in etlichen anderen postkommunistischen Ländern spielen könnten. Er tut das formal gekonnt und so vielfältig, dass keine Gefahr besteht, sein Erzählmuster könnte sich totlaufen. Und die Übersetzung von Alexander Sitzmann liest sich, als wäre sie das Original.
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Georgi Gospodinov, "8 Minuten und 19 Sekunden", Erzählungen, aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann, Droschl Verlag