Peter Simonischek im "Journal zu Gast"

Im Mai stand Peter Simonischek mit seiner Hauptrolle in der deutschen Tragikomödie "Toni Erdmann" im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes und ab kommenden Dienstag steht er als Prospero in Shakespeares "Der Sturm" bei den Salzburger Festspielen auf der Bühne. Darüber hinaus feiert der Burgtheatermime und Rekord-Jedermann am 6. August seinen 70. Geburtstag. Im Interview spricht Simonischek über rote Teppiche, falsche Zähne und darüber, was die Politik in der Kunst zu suchen hat.

Peter Simonischek

"Stellen Sie sich vor, die Amerikaner kriegen den Präsidenten, der in der Luft liegt - dann sieht die Welt schon anders aus. Ich weiß gar nicht, wer dann diese Wahl gewonnen hat - welche Art von Ahnungslosigkeit, von Rachsucht, von Revanchismus gegen das Establishment."

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Salzburger Festspiele - Der Sturm
Die Zeit - Zähne, die die Welt bedeuten

Mittagsjournal, 30.7.2016

Im Film und in Shakespeares Stück geht es um die Beziehung eines Vaters zu seiner Tochter, darum, die Tochter aus den teuflischen Fängen zu befreien. Bei Shakespeare sind es tatsächliche Teufel, im Film sind es die Teufel der turbokapitalistischen Geschäftswelt in Bukarest. Nimmt man etwas mit von der einen in die andere Rolle? Tatsächlich habe Simonischek, der Vater von drei Söhnen, in der Arbeit am Film auch kennengelernt, was es hieße, eine Tochter zu haben: "Ein großer Verlust macht sich Winfried Conradis Herzen breit, wenn er merkt, dass er sie verloren hat. Er ist mutig und fährt zu seiner Tochter nach Bukarest. Der Mut wird anfangs nicht belohnt, aber er ist nicht defensiv und passiv, sondern er erfindet sich den Toni Erdmann - und dafür bewundere ich ihn -, und kommt mit einer wunderbaren Zivilcourage zurück. Das tolle an dem Film ist, dass nicht alles Groteske an den Haaren herbeigezogen ist, sondern immer einen realen Kern hat", sagt Simonischek.

Theater muss politisch sein, müsse aber nicht tagespolitisch sein, sagt der Schauspieler angesprochen auf den Eklat letztes Jahr in Salzburg, als Musiker bei einem Besuch von HC Strache spontan "Die Internationale" angestimmt haben. "Die Klassiker sozusagen in die Aktualität zu prügeln, finde ich publikumsverachtend. Weil man macht die Leute dann dümmer, als sie sind." Die Bezüge zwischen einem Stück und der Gegenwart herzustellen, sollte schon das Vergnügen eines mündigen Publikums sein. Beherrsche das einer, so sei dagegen nichts einzuwenden, aber dann müsse er mindestens auf der Höhe des Autors sein, so Simonischek.

Muss man anderes Theater spielen, wenn sich die Welt in einer Gewaltspirale bewegt? Im Moment müsse man froh sein, dass man überhaupt spielen darf. "Man spielt anders, man spielt mit anderen Gedanken. Vor ein paar Jahren würde ich - wenn ich sage 'eilig schleppte man uns auf ein Schiff, und stach in See mit Kurs auf eine Barke (…)' - nicht an die Menschen denken, die zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken. Man muss die Politik nicht auf die Bühne kommandieren. Diese Brücke zu schlagen kann man getrost dem Publikum überlassen."