Olympia: Stimmung in Russland

Diese Olympischen Spiele hätten ein großer Befreiungsschlag gegen das Doping sein können - wenn sich das Internationale Olympische Komitee durchringen hätte können, Russland von den Spielen auszuschließen. So sehen das jedenfalls viele, denen der Kampf gegen Doping ein Anliegen ist, wie die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA.

Die hat sich mit ihrer Forderung nicht durchsetzen können. Das IOC dagegen sieht im nachgewiesenen staatlich organisierten Doping in Russland keinen Grund, das ganze Team auszuschließen. Jene Sportler zu sperren, die in den vergangenen Monaten bei Doping-Tests nicht aufgefallen sind, das wäre unfair gewesen. So sind 271 russische Sporlter in Rio dabei, knapp 400 wollte Russland ursprünglich schicken.

Ob man das in Russland als Erfolg sieht, oder doch als Demütigung, dieser Frage ist ORF-Korrespondent Christian Lininger nachgegangen.

Morgenjournal, 6.8.2016

Dem Schlimmsten ist Russland gerade noch entkommen - das ist am Abend der Eröffnung der Spiele von Rio der Tenor in den Berichten des 1.Kanals des russischen Staatsfernsehens:

„Von der Zahl der ursprünglich nominierten Teilnehmer hat unsere Mannschaft fast ein Drittel verloren - aber sie ist bei den olympischen Spielen dabei, trotz der lauten Stimmen im Internationalen Olympischen Komitee, die einen totalen Ausschluss gefordert haben.“

Und nicht nur die Fernsehreporter, auch Alexander Schukow, der Vorsitzende des russischen olympischen Komitees, streicht das Positive heraus:“Es ist sehr gut, dass die Mehrzahl unserer Sportler, der Großteil unserer Teams in den meisten Sportarten praktisch vollzählig teilnehmen darf.“

Komplett gesperrt wurden nur die Leichtathleten und die Gewichtheber, viele Ausschlüsse gibt es auch bei den Ruderern und Radrennfahrern, einige bei den Schwimmern. Ganz klar ist allerdings auch jetzt noch nicht, wie viele russische Athleten nun tatsächlich antreten dürfen. Dass der Internationale Sportgerichtshof in letzter Minute die Regel des Internationalen Olympischen Komitees aufgehoben hat, wonach alle Russen, die in ihrer Karriere einmal eine Dopingsperre verbüßt haben, auch für Rio gesperrt sind, hat 12 russischen Sportlern nämlich wieder Hoffnungen gemacht, auch der Schwimmerin Julia Jefimowa, Weltmeisterin über 100 Meter Brust. Wie viele russische Sportler kritisiert sie, dass die Entscheidungen über die Sperren viel zu spät fallen: „Es heißt, du fährst nach Rio, dann wieder, du fährst nicht, dann doch wieder ja, und jetzt fangen die Spiele schon an - das ist doch eine Verhöhnung der Sportler.“

Unverständnis für die Entscheidungen der Internationale Sportverbände, ja dafür, dass überhaupt Sperren verhängt wurden, gibt es aber nicht nur bei den russischen Sportlern, sondern auch beim Großteil der Bevölkerung: „Nicht nur in Russland dopen die Sportler“, meint eine junge Juristin in Moskau. „Im Spitzensport gibt es immer Doping - nur die einen hat man eben erwischt, und die anderen nicht“, so eine junge Lehrerin. „Es ist ungerecht, da geht's um Politik“, ergänzt eine Verkäuferin.

Die Meinung vieler Menschen hier spiegelt das wieder, was sie täglich im Fernsehen hören: Doping ist etwas ganz normales, alle tun es, und wenn ein Land dafür an den Pranger gestellt wird, dann passiert das aus politischen Gründen. Vom Hauptvorwurf der Welt-Anti-Doping-Agentur, nämlich dass in Russland nicht nur einzelne Sportler gedopt haben, sondern dass der Staat das Doping organisiert und gefördert hat, wissen die meisten freilich nichts - darüber wird in den staatlich gelenkten Medien nicht berichtet. Manche hier - laut Umfragen allerdings nur gerade 14 Prozent - halten die Sperren aber doch für gerechtfertigt:

„Es hat Gründe dafür gegeben, und ich hoffe, dass die Doping-Probleme gelöst werden“, meint eine Ingenieurin. Ein Pensionist ist da nicht so optimistisch: „Wo denken sie hin? Nichts wird sich ändern. In Russland hat sich schon seit 1000 Jahren nichts verändert“, so seine düstere Prognose.