Bravos und Buhs bei Gounods "Faust"

Im Großen Festspielhaus in Salzburg hatte gestern Abend Charles Gounods Oper "Faust" Premiere. Auf die szenische Umsetzung war man besonders gespannt, hat der aus Vorarlberg gebürtige Bühnen- und Kostümbildner Reinhard von der Thannen doch hierzulande noch eher wenig inszeniert. Die Publikumsreaktionen bei seinem Auftritt nach der Premiere waren gemischt.

Morgenjournal, 11.8.2016

Ein gutes Zeichen

Es war wohl das einzige Publikumsgefecht des bisherigen Festspielsommers: Hatten Solisten, Orchester und Dirigent allesamt Zustimmung bekommen, so kam nach langem Warten Reinhard von der Thannen, der Regisseur, Bühnen - und Kostümbildner in einer Person, um eine Schlacht im Zuschauerraum süffisant lächelnd zur Kenntnis zu nehmen. Diese reichte von einem Buhorkan, über protestierende Bravostürme, bis zu begeisterten Standing Ovations. Reinhard von der Thannen weiß aus langer Erfahrung an der Seite des skandalerprobten Regisseurs Hans Neuenfels, dass diese Spaltung des Publikums nur ein gutes Zeichen sein kann.

Große Bildergeschichte

Von der Thannen erzählt in einer großen Bildergeschichte die bekannte Handlung um Faust, Mephisto und Marguerite. Im Zentrum stehen konzentrische Kreisformen, die Auge und Abgrund sein können. Beim berühmten Marsch senkt sich ein riesiges Skelett an einem Fleischerhaken auf die Bühne, wo die Soldaten in gelben Pyjamahosen durchaus auch mal Cancan tanzen dürfen. Am Ende kommen pfeilerartige Spieße herunter und kerkern Marguerite ein. Demgegenüber steht eine oft apsychologische Spielweise, die so manche, die auf Identifikation setzen, wohl störte.

Stimmgewaltiger und witziger Mephisto

Verdienten Applaus und Bravos gab es für Publikumsliebling Piotr Beczala als Faust, für Maria Agresta als Marguerite und besonders bejubelt wurde der stimmgewaltige und witzige Mephistopheles des Ildar Abdrazakov. Der hierzulande weithin unbekannte, junge argentinische Dirigent Alejo Perez ließ die Wiener Philharmoniker, so schien es, einfach gut spielen.

Gounods "Faust" ist heute schwer aufzuführen, Kämmerchen und Kirche, Verdammung und Rettung, Walzer und Marsch haben in der Salzburger Aufführung der klaren, graugefärbten, plastischen Raumkonzeption Von der Thannens weichen müssen. Und das ist wahrscheinlich gut so.

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Salzburger Festspiele - Faust
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