"Im Ö1-Journal zu Gast"

Aiginger zu Ein-Euro-Jobs: Anregung

WIFO-Chef Karl Aiginger kann dem jüngsten Vorschlag von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) durchaus etwas abgewinnen, Ein-Euro-Jobs für anerkannte Flüchtlinge zu schaffen. Diese Billigjobs am sogenannten "Zweiten Arbeitsmarkt" sollten aber befristet sein und ohne Sanktionsdrohungen einhergehen, so Aiginger in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“. Und er lässt durchblicken, dass er den Vorschlag von Bundeskanzler Kern (SPÖ), die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen, für einen Fehler hält.

Karl Aiginger

(c) Hochmuth, APA

Mittagsjournal, 20.8.2016

WIFO-Chef Aiginger im Gespräch mit

Begrenzung einziehen

Ein-Euro-Jobs für anerkannte Flüchtlinge sei eine Anregung, möglichst früh in den Arbeitsmarkt zu kommen, sagt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes, Karl Aiginger. Diese Tätigkeiten dürften aber den normalen Arbeitsmarkt nicht stören und sollten auch von Asylwerbern ausgeführt werden können, deren Verfahren noch läuft. Jobs in diese Richtungen gebe es einige, wie etwa im Haushalt und im Gemeindebereich. Allerdings lehnt Aiginger, wie er sagt, die gleichzeitige „Keule des Entzugs von Sozialleistungen“. Im Prinzip aber müsse man einen „Zweiten Arbeitsmarkt“ gestalten, der den ersten nicht stört. Und man müsse Übergänge vom zweiten zum ersten Arbeitsmarkt ermöglichen, damit der zweite nicht gehalten wird, wenn es nicht mehr notwendig ist, also eine Begrenzung einziehen, da ansonsten diese Menschen im Billiglohnbereich stecken bleiben. Hier verweist Aiginger auf das Negativbeispiel Deutschland, wo genau das passiert sei.

Migration nicht genutzt

„Wir brauchen die Migration“, sagt der WIFO-Chef ganz generell. Wenn das aktuelle Problem der Schwächeperiode der Wirtschaft gelöst sei und es wieder zu Wachstum kommt, werde es leichter sein, mehr Menschen zu integrieren. Österreich sei schon bisher durch Migration zu einem der reichsten Länder Europas geworden. Migranten würden aber weiterhin nicht gut behandelt und in unqualifizierten Jobs belassen, Ärzte etwa müssten jahrelang Taxi fahren. Die Migration sei nicht genutzt worden, um zu mehr Wirtschaftswachstum zu kommen und jetzt sei noch die unfreiwillige Migration der Flüchtlinge dazugekommen. Dadurch dass beides zusammengekommen sei, müsste jetzt – schweren Herzens – eine restriktive Politik gefahren werden, um die Stabilität Österreichs zu erhalten.

Faktor Arbeit entlasten

Der neuen Politik der SPÖ/ÖVP-Regierung mit Antritt von Bundeskanzler Kern zollt Aiginger Respekt. Er sieht einen gelungenen Anfang und erwartet sich ein Gesamtkonzept zur Lösung anstehender Probleme.

Was die Arbeitslosigkeit betrifft, so sieht sie Aiginger auch weiterhin auf sehr hohem Niveau – 10 Prozent nach österreichischer Messung. Hier könne nur mehr Qualifikation und mehr Wachstum helfen. Um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, schlägt Aiginger schon seit Langem eine Senkung der Steuern auf Arbeit vor. „Österreich ist hier wirklich dumm“. Die Abgabenquote sei sehr hoch, hier werde ein Faktor belastet, den man eigentlich fördern will. Zaghaft sei man hingegen, Energie zu besteuern und Emissionen. Damit ergeben sich aber doppelte Kosten: erst werden hohe Emissionen zugelassen und nachher versucht, sie wieder einzufangen. „Österreich ist ein Weltmeister in einer schlechten Steuerstruktur“, weil es nie zu einem Gesamtkonzept bei den Steuerreformen gekommen sei.

Fehler in der Türkei-Politik

Den jüngsten Vorstoß von Bundeskanzler Kern, die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei abzubrechen, pflichtet Aiginger in dieser Form nicht zu. „Ich hätte es nicht so gesagt“. Sicher sei aber, dass man derzeit die Türkei nicht aufnehmen könne. Fehler seien aber schon in der Vergangenheit passiert: zu wenig Kooperationen, zu wenig Schüler- und Studentenaustausch etwa. Damit sei das Zeitfenster einer säkularen Türkei nicht genutzt worden. Ein Stopp bedeute aber eine Zurückweisung und das Land müsse damit eine andere Alternative suchen.