Von Harald Höppner

Menschenleben retten

Harald Höppner, seine Frau und ein Geschäftspartner wollten dem Sterben von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer nicht mehr länger tatenlos zusehen. Anfang 2015 legten sie deshalb 150.000 Euro zusammen und kauften einen betagten Fischkutter. Sie gründeten "Sea-Watch". Ihr Ziel: Nach dem Umbau des Schiffs in einer Hamburger Werft mit einer Crew von Freiwilligen in den Gewässern vor Libyen kreuzen und in Not geratenen Flüchtlingen helfen – mit Rettungswesten, medizinischer Versorgung und der Benachrichtigung der italienischen Seenotrettung.

Kontext, 2.9.2016

Anfangs wurde das Sea-Watch-Projekt des Berliner Unternehmers Harald Höppner von vielen belächelt: Flüchtlingshilfe auf hoher See, das ist nichts für Amateure, hieß es. Es gab zum Teil berechtigte Zweifel, viele Auseinandersetzungen und schlechte Presse für Harald Höppner. Kann die Sea-Watch, was übersetzt Meerwache bedeutet, wirklich konkret Menschenleben retten? Oder geht es mehr um ein öffentliches Signal für eine bessere Flüchtlingspolitik? Was als idealistischer Traum begann, hat sich - gegen alle Unkenrufe - längst zu einem professionell betriebenen Hilfsprojekt entwickelt: Mit einem Büro in Berlin, einer Handvoll festangestellten Mitarbeitern, einem Rettungsstütz-punkt auf Lesbos mit Schnellbooten und einem Leichtflugzeug, dass das Rettungsschiff Sea-Watch II bei der Suche nach Schiffbrüchigen unterstützt.

Harald Höppner beschreibt auf 200 Seiten gut nachvollziehbar, wie er mit viel Idealismus und Begeisterung gemeinsam mit Freunden das Projekt auf die Beine gestellt hat. Der Globetrotter verschweigt nicht, wie beschwerlich und zermürbend der Weg von der Idee am Küchentisch zum funktionierenden Schiff war: Durchgeschmorte Kabel, beinah-Brände, kaputte Schiffsmotoren, Schikanen der türkischen Küstenwache und eine Meuterei der Crew. Beim Lesen wundert man sich, dass die Sea-Watch es überhaupt geschafft hat, auf ihren Patrouillenfahrten mehr als 200 Flüchtlinge aus dem Mittemeer zu retten. „Der König der Hoffnung“, wie die Medien Harald Höppner nennen, fühlte sich aber auch von dem plötzlichen Medienrummel überrollt und von einigen Pressevertretern missverstanden. Die einen sahen in ihm einen Spinner, einen blauäugigen Gutmenschen, die anderen den Robin Hood der Meere, schreibt er.

Was aus den Flüchtlingen wird, weiß Harald Höppner nicht. Armut und Bürgerkriege werden den Flüchtlingsstrom sicher nicht abreißen lassen. Der Sea-Watch-Gründer koordiniert die Schiffseinsätze inzwischen aus der Ferne, wird auch den Vereinsvorsitz demnächst abgeben. Das Sea-Watch-Projekt gibt es gerade mal ein Jahr und es hat schon mehr als eine Million Euro an Spenden gesammelt. In Malta entsteht zurzeit ein neues Camp für die ehrenamtlichen Helfer. Am Ende des Buches ist deutlich Resignation zu spüren. Harald Höppner schreibt, er habe sich damit abgefunden, dass er weder die komplizierten politischen Verhältnisse ändern noch allen Menschen in Seenot beistehen kann. Weitermachen will er trotzdem.

Service

Harald Höppner. "Menschenleben retten! Mit der Sea-Watch im Mittelmeer", Eichborn