Pianist Lang Lang im Gespräch
Demnächst erscheint Lang Langs neue Album "New York Rhapsody", eine Hommage an Big Apple. Aus diesem Anlass sprach Ö1 mit dem Pianisten über dessen Erinnerungen an Nicolaus Harnoncourt, den Bezug zur zeitgenössischen klassischen Musik und über das gemeinsame Spiel mit Herbie Hancock.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 2.9.2016
Ö1: Lang Lang, letztes Jahr haben Sie Ihr Paris Album präsentiert, damals Chopin und Tschaikowsky, jetzt Gershwin, Broadwaymusicals und Filmmusik. Was war der Anlass für dieses New-York-Album?
Lang Lang: Es war eigentlich schon für 2012 geplant, aber damals haben wir nur die "Rhapsody in Blue" mit Herbie Hancock eingespielt. Wir realisierten, dass wir für ein qualitativ hochwertiges Album, das dieser Stadt und ihrer Musik gerecht werden kann, viel mehr Zeit brauchen. Dieses Jahr haben wir endlich den richtigen Rahmen gefunden. Komponisten wie Gershwin und Bernstein, Songs von Alicia Keys und Lou Reed. Am Ende der Aufnahmesessions waren wir einfach nur glücklich, über die Sänger und Instrumentalisten, die wir gefunden haben. Das war eine große Teamarbeit."
Mit Herbie Hancock haben Sie in den letzten Jahren immer wieder zusammengearbeitet - zwei große Pianisten mit einem ganz anderen musikalischen Hintergrund. Wie kann man sich das vorstellen, prallen da zwei musikalischen Welten aufeinander?
Ich bewundere Herbie wirklich. Wir haben viel gemeinsam gemacht, sind gemeinsam durch alle Kontinente getourt. Herbie improvisiert wie ein Gott! Er kann unglaubliche Sachen mit dem Klavier machen. Dinge, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie möglich sind. Wie er Strukturen verschiebt, immer wieder etwas Neues, komplett Überraschendes in ein Stück hineinwirft. Ich habe auch viel gelernt. Das war ein faszinierender Prozess auf einem so hohen Level zu improvisieren.
Nach der gemeinsamen Tour hatte ich das Gefühl, als Pianist im Kopf viel freier geworden zu sein. Er hat mir neue Dimensionen in der Musik gezeigt, in die ich mich vorher nicht gewagt habe. Er hat mir die Leuchtkraft der Musik gezeigt.
Sie haben 2012 mit dem Projekt begonnen. Haben Sie damals auch mit Nikolaus Harnoncourt darüber gesprochen, der ja selbst eine enge Verbindung zu Gershwin hatte? Sein Onkel war ja mit ihm befreundet.
Ja. Es war ein großes Glück zwei Mozartkonzerte mit Maestro Harnoncourt einspielen zu dürfen. Während der Proben hat er mir erzählt, dass Gershwin einer seiner Lieblingskomponisten ist. Er hat mir von seinem Onkel in den USA erzählt und von seinem Anzug, den er dann einmal sogar getragen hat - ein Geschenk aus den 50er Jahren! Ich bin da gestanden und dachte wow! Das war fast ein Schock, dann habe ich mir seine Aufnahmen von Gershwin Songs mit Orchester angehört. Das war ein komplett anderes Bild, als jenes, das ich von Maestro Harnoncourt hatte. Eine ganz neue Seite – so inspirierend!
Sie haben die Mozartkonzerte 2014 erwähnt. Wie haben Sie diese Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt in Erinnerung?
Ich habe mich wie der glücklichste Mensch auf dem Planeten gefühlt. Er war so reich an Wissen, und er wusste die Dinge nicht nur, sondern verstand es auch, sie zu vermitteln. Er ließ andere an seinen Gefühlen für die Musik teilhaben. Ich kann mich an eine Probe mit den Wiener Philharmonikern erinnern, ein Profiorchester. Jeder einzelne hörte ganz genau zu, wenn der Maestro den Klang erklärte, darüber sprach, wie allein der erste Ton klingen musste. Harnoncourt hat mich auf ein neues Level gebracht. Er hat mir die Wildheit in Mozarts Musik gezeigt, die wilde Partystimmung Mozarts, das Animalische, zusätzlich zum ernsten und heiligen Mozart. Mozart war plötzlich am Leben! Ich habe mit vielen großen Maestros an Mozart gearbeitet, aber der Harnoncourt-Mozart wird sich nie wiederholen.
Gibt es noch Momente, in der Musik oder auf der Bühne, in denen Sie Ihre eigene Komfortzone verlassen müssen?
Natürlich, wenn man einen späten Beethoven spielt, oder schwere Bachstücke, oder auch Brahms - da nützt Erfahrung wenig. Das sind Momente der Nervosität, einfach weil man weiß, wie schwer es ist, diesen Kompositionen gerecht zu werden. Das sind dann oft große Herausforderungen, die aber auch wichtig sind! Die aus uns einen reiferen Musiker machen.
In Interviews nennen Sie häufig den italienischen Pianisten Maurizio Pollini als einen ihrer musikalischen Helden. Pollini hat sich sehr stark auch für die Musik des 20. Jahrhunderts eingesetzt - Berg, Webern, Schönberg, Nono u.v.m. gespielt. Von Ihnen hat man das noch nie gehört, warum nicht?
Ein bisschen was aus dem 20. Jahrhundert hab ich schon gespielt. Bartok etwa, aber kaum Schönberg oder andere Komponisten. Aber ich denke, ich habe noch Zeit dafür. Es gibt Musik, die Zeit braucht. Das ist ein großer Arbeitsaufwand. Aber das eilt nicht. Früher oder später werde ich diese Herausforderung vielleicht annehmen, aber - ich denke - für jetzt habe ich ein ausreichend großes Repertoire, um das ich mir Sorgen machen muss.
In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es in gewisser Weise zwei Lang Langs. Zum einen den Konzertpianisten und Künstler, zum anderen, den oft auch kritisch beäugten Popstar. Wie gehen Sie mit diesen unterschiedlichen Zuschreibungen um?
Lassen sie mich eines klarstellen: Für mich ist es wichtig, als Pianist so gut wie möglich zu sein. Mich immer zu verbessern. Das Repertoire zu erweitern, neue Herausforderungen anzunehmen. Das kommt an erster Stelle. Aber zugleich möchte ich einer jungen Generation zeigen, dass das, was wir machen, eine coole Sache ist. Es ist nicht alt und historisch, sondern sehr aktuell, es passiert jetzt!
Deswegen ist es mir auch wichtig Klavierbücher für Schüler zu schreiben, ich will klassische Musik zur Jugend bringen. Das ist der Grund, warum ich mich auf teils abenteuerliche Projekte einlasse. Man darf sich dann nicht zu viel darum kümmern, was man dafür zurückbekommt. Wenn ich dann das Gefühl habe, dass mir alles zu viel wird, dann stecke ich bei den Dingen, die oft als Überflüssig beschrieben werden, zurück. Ich denke wir im Klassikbetrieb, müssen uns öfter aufraffen, das zu vermitteln, was wir machen. Und vor allem: Warum wir es machen! Da darf es nicht nur um Marketing gehen, sondern es muss um die Magie der klassischen Musik gehen. Ich glaube an diese Kraft! Ich möchte keine Traditionen brechen, aber ich glaube, dass wir der nächsten Generation mehr Aufmerksamkeit schenken müssen.