Von Dirk Liesemer

Lexikon der Phantominseln

Jahrhundertelang glaubten Kapitäne und Könige, Militärs und Piraten, aber auch Kartenmacher an die Existenz von Inseln, die es eigentlich nie gegeben hat. "Immer wieder rückten Expeditionen aus, um sie zu erkunden", schreibt Dirk Liesemer im Vorwort seines Buches "Lexikon der Phantominseln". Der reiselustige Journalist aus Münster in Westfalen hat versucht, das Geheimnis von dreißig imaginären Inseln zu lüften.

Kontext, 9.9.2016

Weltweit soll es 130.000 bis 180.000 Inseln geben, so genau weiß das niemand. Eine von ihnen ist Sandy Island. Das "sandige Inselchen" wurde angeblich 1876 im östlichen Korallenmeer des Pazifiks von dem Kapitän eines Walfängers entdeckt. 136 Jahre lang war die Position der zigarrenförmigen Insel, die doppelt so groß wie Manhattan sein sollte, im Times Atlas of the world verzeichnet, einem Standradwerk, das laufend von 50 Kartografen aktualisiert wird, und sie schien erstaunlicherweise auch in Google Earth auf. Als Wissenschaftler aus Sydney 2012 die geologische Geschichte des Fünften Kontinents erkundeten, suchten sie Sandy Island vergeblich. Google Earth löscht seinen Eintrag sofort. Aber solange nicht klar war, wie das Eiland in renommierte Atlanten aufgenommen werden konnte, blieb Sandy Island sicherheitshalber in den australischen Karten. Im Sommer 2013 lüftete Shaun Higgins, ein Bibliothekar am Auckland War Memorial Museum in Neuseeland das Rätsel um Sandy Island und das Eiland wurde auch aus den letzten Karten gelöscht. Das sandige Inselriff war die bisher letzte Phantominsel, die aus aktuellen Karten entfernt wurde, weil es sie in Wirklichkeit nie gegeben hat.

Dirk Liesemer beschreibt auf 160 Seiten detailreich und vergnüglich zu lesen die mitunter bizarren kartografischen Anekdoten. Geholfen hat ihm bei den Recherchen, dass etliche jahrhundertealte Originalquellen im Internet zugänglich sind. Dazu gehört auch der Überlebenskampf der Antarktisforscher. Mitte 1912 war die "Deutschland", das Schiff der zweiten deutschen Antarktisexpedition, im südpolaren Packeis festgefroren. Bei ihrem Versuch zu der 60 Kilometer entfernten Insel New South Greenland zu gelangen, kamen die Forscher beinah ums Leben. Die Insel existierte nur auf dem Papier. Geglaubt hatten sie einem phantasievollen Karteneintrag des US-Kapitäns Benjamin Morrell, der unbedingt in die Geschichte der Seefahrt eingehen wollte.

Service

Dirk Liesemer, "Lexikon der Phantominseln", mare Verlag