Peymann: "Wien war schon eine heiße Etappe"

Der ehemalige Direktor des Wiener Burgtheaters und Noch-Direktor des Berliner Ensembles präsentiert am Mittwoch sein Theaterlebensbuch "Mord und Totschlag" in Wien. Aus diesem Anlass bat ihn Ö1 zum Gespräch.

In Erinnerungen, Briefen, Auszügen aus Interviews und vielen Bildern erzählt Peymann in seinem Buch von beinahe sechs Jahrzehnten, die er als Theatermacher in Frankfurt, Stuttgart, Bochum, Wien und Berlin verbracht hat. Einen großen Raum nimmt seine Zeit als Burgtheaterdirektor ein. Dort stellt Peymann auch das Buch vor.

Claus Peymann

"Theater ist für mich immer auch ein Ort der Opposition und der Subversion - insofern war Wien natürlich ideal, weil alles war verkalkt."

APA/HANS KLAUS TECHT

Kulturjournal, 12.12.1016

Auszüge aus dem Gespräch

Ö1: Ihre Theaterarbeit war über weite Strecken mit Kampf verbunden. Muss Theater für Sie immer eine politische Botschaft haben?

Claus Peymann: Politische Botschaft soll man nicht verwechseln mit Humorlosigkeit oder mit Schulunterricht. Aber ich glaube, dass wenn sich Menschen versammeln - zum Beispiel in der Burg oder hier im BE (Berliner Ensemble, Anm.) - und die Macht und die Fragwürdigkeit der Mächtigen zeigen, und Solidarität mit den Schwachen, dann ist das doch eigentlich immer auch ein politischer Vorgang. Theater ist für mich immer auch ein Ort der Opposition und der Subversion - insofern war Wien natürlich ideal, weil alles war verkalkt. Und insofern hat diese Wiener Epoche uns gute Gegner beschert.

Man hat Ihnen definitiv nirgendwo anders einen Misthaufen vors Theater gekippt.

CP: Nein (lacht) - das war ja auch eine tolle Mischung mit dem Waldheim und mit dem entsprechenden Kardinal dazu, dem Groer, und Haider kam auf. Insofern war die Wiener Zeit natürlich großartig - wie für mich gebaut.

Es sind gute Zeiten fürs Theater, wenn die Politik und die Gesellschaft restaurativ sind. Insofern müsste man ja nach Wien gehen - es geht ja im Grunde gerade wieder los in Wien. Das Theater hätte völlig neue Aufgaben in Wien. Ich bin zu alt, um das Burgtheater nochmal umzumöbeln, aber eigentlich wäre jetzt Wien reif für einen Sturmangriff.

Von Claus Peymann.

CP: Ja, wer weiß, vielleicht.

Mich hat es überrascht, mit welcher Heftigkeit Sie in Wien gehasst, aber eben auch geliebt worden sind.

CP: Jetzt hat die Liebe ja ganz klar überhandgenommen. Ich bin ja schon fast aus Zuckerguss. Es wundert mich, dass es noch keine Peymann-Kugel gibt, wie es Thomas-Bernhard-Suppen gibt. Schauen Sie Handke oder die Jelinek, Peter Turrini oder Bernhard - das sind alles Menschen, die zeit ihres Lebens gehasst, beschimpft, beschuldigt und bespuckt werden. Und dann werden sie heilig.

Sie haben als Deutscher sehr früh eine große Zuneigung zu den erwähnten Dichtern entwickelt. Woher kommt das?

CP: Woher es kommt, dass die Wiener und die Österreicher um so viel begabter sind als die Deutschen und die Schweizer, das weiß ich nicht. Das ist ja diese seltsame Musikalität, die auch damit zusammenhängt, was hier in Wien schon immer zusammengekommen ist, dieser Vielvölkerstaat.

Natürlich gab es immer das gute Österreich, die wahren Patrioten. Natürlich war der Bernhard ein Patriot; doch nicht der Haider war der Patriot - das war vielleicht der Idiot -, aber der Bernhard war der Patriot. Und diese Genialität in Wien finden Sie ja in jedem Vorort mehr, als in ganz Schleswig-Holstein. Das hat mich natürlich angezogen.

War Wien die beste Zeit für Sie?

CP: Nein, es war die Krönung. Jetzt, hier in Berlin ist der Epilog.

Wenn man Sie in Berlin erlebt hat, so hat man das Gefühl gehabt, dass Sie das Wiener Publikum vermissen, dass Ihnen die Erregbarkeit der Wiener fehlt. Weil man hier in Berliner nicht so herrliche Theaterskandale produziert.

CP: Eine konservative Gesellschaft ist die Hochzeit für Theaterleute. Die Provokation, die in Wien glückt - die Berliner sind blasiert, sie sind cool, sie wissen schon alles, nichts kann sie erregen, nichts kann sie ärgern. Und die Wiener sind, da sie das Theater lieben, schon grundsätzlich interessiert. Aber nach Wien zurück - auf keinen Fall.

Überhaupt, noch ein Theater zu übernehmen, das ist vorbei. Ich bin dann 80 Jahre, irgendwann müssen ja die Jungen ran - obwohl ich mich stark fühle.

Service

Claus Peymann, Jutta Ferbers, "Mord und Totschlag", Alexander Verlag

Burgtheater – "Mord und Totschlag. Theater | Leben" - Die gesammelten Werke des Claus Peymann. Buchpräsentation mit Hermann Beil, Jutta Ferbers und Claus Peymann