Asghar Farhadis Drama "The Salesman"
Wer im Iran Filme macht, muss an die Zensur denken. Seit Jahren schafft es Regisseur Asghar Farhadi gesellschaftliche Probleme im Iran mit subtiler Kritik daran zu verbinden und damit auch die Zensur zu passieren. So auch in seinem neuen Film "The Salesman" - ein vielfach ausgezeichnetes Drama, dem letztes Jahr der Regiepreis in Cannes sowie vor kurzem der Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film zuerkannt wurde.
14. April 2017, 02:00

THIMFILM
Mittagsjournal, 14.3.2017
Risse ziehen sich durch die Wand eines mehrstöckigen Hauses, es droht einzustürzen. Die Bewohner, darunter der Lehrer Emad und seine Frau Rana, müssen evakuiert werden. Und damit bekommt auch die Beziehung des Ehepaars Risse, ein Leben, das einsturzgefährdet ist. Der Grund: in einer Ersatzwohnung wird Rana von einem Eindringling in der Dusche vergewaltigt.
Keine Anzeige, das Wort Vergewaltigung nimmt auch niemand in den Mund. "Du weißt schon was passiert ist", heißt es da. Auch dass die Vormieterin eine Prostituierte war wird ins Unklare hineinformuliert: eine "nicht immer anständige Frau". Regisseur Asghar Farhadi lotet in "The Salesman" raffiniert die Zwischenräume von Problemstellung und Konfliktlösung im iranischen Alltag aus, ein Alltag durchzogen von politischen und juristischen Gratwanderungen.
Moralisches Zwangskorsett
Farhadi überkreuzt komplexe moralische Sachverhalte, wiegt Scham und Rachegefühle ab, pendelt zwischen innerer Wut und äußerer, diplomatischer Zurückhaltung, zwischen verletzter Ehre und ständiger Angst in einem moralischen Zwangskorsett. Langsam zerbricht der Traum von einem normalen Familienleben.
Rana und Emad sind auch Theaterschauspieler. Sie proben Arthur Millers Stück "Tod eines Handlungsreisenden", einen Abgesang auf Träume, den Regisseur Farhadi dramaturgisch auch für seinen Film zu nutzen versucht: "Das Stück von Arthur Miller war für mich wie ein Spiegel der Ereignisse im Leben meiner Figuren. Dabei war es mir aber wichtig, dass jene Kinozuseher, die nicht vertraut sind mit dem Stück, trotzdem Parallelen erkennen konnten", meint der Regisseur.
Indirekte Systemkritik
Anspielungen auf Nachbarn und mögliches Spitzeltum, das massive Misstrauen in den Rechtsstaat, der den Bürgern keine persönliche Sicherheit garantieren kann, eine Frau, die im Gemeinschaftstaxi nicht neben einem Mann sitzen möchte.
Im Gegensatz zu iranischen Regisseuren wie Jafar Panahi und Mohammad Rasoulof geht Asghar Farhadi in seinen Filmen nicht auf offenen Konfrontationskurs mit dem Regime. Seine Mentalitätsbeschreibungen sind indirekte Systemkritik. Ein oft kritisiertes Vorgehen, aber auch eines, das von der iranischen Zensur toleriert und vom iranischen Kinopublikum mit Einspielrekorden honoriert wird.