Lichtspiel in der Unschärfe, Regenbogenfahne

AFP/BRENDAN SMIALOWSKI

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Gay Cops - Die Angst vor dem Outing

"Ich bin am Schreibtisch gesessen, die Waffe in der Hand. Ich hab mir überlegt: Soll ich - oder soll ich nicht?" Homosexuelle Polizistinnen und Polizisten in Österreich.

Der Vorarlberger Polizist Josef Hosp – damals noch Ermittler bei der Zollfahndung – bekennt sich 1991 auf seiner Dienststelle offen zu seiner Homosexualität. Damals betrachtet die Weltgesundheitsorganisation gleichgeschlechtliche Liebe noch als Krankheit. Sein Outing hat Konsequenzen: Einige Kollegen geben ihm nicht einmal mehr die Hand, andere weigern sich, mit ihm Außendienst zu machen. Die Anfeindungen belasten Josef Hosp so stark, dass er sich das Leben nehmen möchte. Eine Reinigungskraft hält ihn in letzter Sekunde davon ab, sich mit der Dienstwaffe zu erschießen.

Josef Hosp

GAY COPS AUSTRIA

Josef Hosp

Die Mehrheit will anonym bleiben

Heute ist der 58-Jährige Vorarlberger Bezirksinspektor mit seinem Mann Günther verpartnert und er ist Obmann der "Gay Cops Austria". Der Verein ist 2007 von einer Gruppe homosexueller Polizistinnen und Polizisten gegründet worden. Er versteht sich als erste Anlaufstelle für schwule, lesbische und transgender Exekutivbeamte und will Vorurteile innerhalb der Polizei abbauen. Rund 280 Mitglieder gehören den "Gay Cops Austria" an. Doch die Mehrheit will anonym bleiben. Nur 62 Polizistinnen und Polizisten stehen offen zu ihrer Lebensweise.

Zwar ist Homosexualität in der Polizei offiziell kein Tabu mehr. Doch nach wie vor haben viele Exekutivbeamte Angst, sich in dem männerdominierten Beruf zu outen. "Viele befürchten, dass mit dem Outing der Karriereknick einhergeht, dass sie von den Kollegen benachteiligt und als Besonderheit gesehen werden, im negativen Sinn," sagt Hosp.

Angst vor Mobbing und Ausgrenzung

Einer, der solche Befürchtungen hat, ist der Mitte 30-jährige Jakob*, der anonym bleiben will. Er ist Revierinspektor in Wien. Abschätzige Äußerungen über Homosexuelle hindern ihn, zu seiner Lebensweise zu stehen. "Wenn man von Kollegen hört: 'Es gibt nur Mann und Frau, Adam und Eva und alles andere ist krank', oder wenn so Aussagen fallen wie: 'Die ganzen Schwulen können froh sein, dass wir 2016 haben, weil 1944, da wäre der Richtige für sie da gewesen', will man es auf der Dienststelle natürlich noch weniger publik machen." Aus Angst vor Mobbing und Ausgrenzung hat der Streifenpolizist das Lügen perfektioniert. Seit Jahren führt er ein Doppelleben, an dem auch seine letzte Beziehung mit einem Mann zerbrochen ist.

Noch vor fünfzig Jahren wäre es undenkbar gewesen, sich als homo-, bi- oder transsexueller Polizist auf dem Wachzimmer zu outen. Bis 1971 war Homosexualität in Österreich verboten und wurde mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Erst 2002 fiel der letzte Strafparagraf, mit dem gleichgeschlechtliche Liebe geahndet werden konnte. Er sah für schwule Beziehungen ein Mindestalter von 18 Jahren vor. "Erst als Homosexuelle zur Gänze aus dem Kriminal geholt wurden, und die Polizei nicht mehr vom Staat instrumentalisiert wurde, Schwule und Lesben zu verfolgen, war es für Polizeibeamte überhaupt erst möglich, sich zu ihrer Homosexualität zu bekennen," sagt Helmut Graupner, Präsident des Rechtskomitees Lambda und einer der Geburtshelfer der "GayCopsAustria".

Das Outing kostet Überwindung

Für den Gruppeninspektor Alois Krabb aus St. Johann im Pongau wurde der Leidensdruck irgendwann zu groß. Als er sich mit 34 Jahren outet, hat er bereits Frau und Kind. "Dich kennt ein jeder, du hast eine Familie, du bist Polizist, also jeder, der sich halbwegs auskennt, kann sich vorstellen, wie groß die Überwindung war." Bis heute ist er der einzige bekennende homosexuelle Polizist in Salzburg. Auf seiner Dienststelle hatte er nie Probleme. "Sein Geheimnis ist vielleicht seine Persönlichkeit, weil er nicht augenscheinlich schwul ist, ihm sieht man das nicht an. Er stellt seinen Mann," sagt sein Vorgesetzter Günter Lechner.

Christina Gabriel und Marek Wimberger, EuroPride 2016 in Amsterdam

Christina Gabriel und Marek Wimberger in Amsterdam bei der EuroPride, 2016

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Rund die Hälfte der "GayCopsAustria" sind Frauen

Christina Gabriel ist Obfrau-Stellvertreterin des Vereins und Bezirksinspektorin im Wiener Landeskriminalamt. Jahrelang hat sie ihre Beziehung zu einer Frau geheim gehalten. Als eine der ersten Polizistinnen Wiens, hatte sie es damals schwer genug. "Als ich 1992 zur Polizei kam, gab es Unterschriftenlisten, damit keine Frauen auf die Wachzimmer kommen. Da haben alle männlichen Kollegen unterschrieben, mit der Begründung: für Frauen werden wir jetzt keine extra Toiletten machen." 2008 entscheidet sie sich für ein dienstliches Coming-Out und macht damit mehrheitlich positive Erfahrungen. "Als lesbische Frau hat man es bei der Polizei leichter. Man wird von den Kollegen nicht so skeptisch beäugt, auch weil lesbische Frauen gesellschaftlich eher akzeptiert werden, als schwule Männer. Zwei küssende Frauen, das kann man sich durchaus vorstellen, aber zwei Männer, das geht für viele gar nicht."

Am Grenzposten, im Streifenauto und auf der Polizeiinspektion erzählen die Gay Cops von ihren Erfahrungen mit Homophobie am Arbeitsplatz, ihren Coming-Outs und den Erfolgen ihres Vereins, der heuer sein zehnjähriges Jubiläum feiert.

*Name von der Redaktion geändert

Text und Gestaltung der Sendung: Elisabeth Semrad

Service

GayCopsAustria

Rechtskomitee Lambda

Wiener Antidiskriminierungsstelle

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Regenbogenball

Regebogenparade

Pink Cops Schweiz

Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter Deutschland

European Gay Police Association

Service

Dieses preisgekrönte Feature wird am Samstag, 4. August 2018, im Rahmen der "Hörbilder" ab 9:05 Uhr in Ö1 nochmals ausgestrahlt