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Album von Pink-Floyd-Mastermind
Roger Waters: "Is This The Life We Really Want?"
Es sind gute Zeiten für Pink-Floyd-Fans. Während die Band gerade das gesamte Victoria and Albert Museum in London mit Exponaten aus ihrer gut 50-jährigen Geschichte füllt, steht Mastermind Roger Waters mit einem neuen Album in den Startlöchern. Waters, den man für seine direkten politischen Aussagen kennt, kann und will sich auf "Is This The Life We Really Want?" nicht zurückhalten.
30. Juni 2017, 02:00
Am Freitag erscheint das fünfte Soloalbum des früheren Pink-Floyd-Masterminds, und der exponierte Israel-Kritiker stilisierte sein neues Werk bereits im Vorfeld - durchaus medienwirksam - zu einer Abrechnung mit US-Präsident Donald Trump. Dabei ist das durchaus nicht der einzig interessante Aspekt an Waters erster Soloplatte seit 25 Jahren.
Zorn hält also jung. Wie sonst könnte man die erstaunlich jugendlichen musikalischen Vitalwerte von Roger Waters auf "Is This The Life We Want?" erklären. Kein Zweifel: der 73-Jährige steht hinter diesen Liedern, er will dieses Album jetzt veröffentlichen - jeder Takt der zwölf neuen Songs verströmt Überzeugung und Herzblut.
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Roger Waters
Ein Gedicht als Initialzündung
Begonnen hat alles mit einem Gedicht. Damals war George W. Bush gerade aus dem Weißen Haus ausgezogen. Barack Obama stand vor der Tür. Dick Cheney und Donald Rumsfeld waren Geschichte und Roger Waters schöpfte tatsächlich Hoffnung. Der Titel seiner poetischen Fantasie: "Is This The Life We Really Want?" Wollen wir wirklich im Dauer-Kriegszustand leben?, fragt Waters da unter anderem. Die Antwort darauf ist Inhalt dieses Albums.
Gestatten, Roger Waters, streitbarer Friedensapostel
Freiheit und Unabhängigkeit für alle. Diese Vision prägt das Album. Und der medial gewiefte Waters weiß, was es dafür braucht: keine selektive Freiheit, sondern eine globale eingebettet in einen Rechtsstaat als Ausdruck unseres Bekenntnisses zu ethischem Verhalten und Großzügigkeit.
Donald Trump als Muße wider Willen
Noch etwas scheint allgegenwärtig. Besser: noch jemand. Donald J. Trump agiert hier als Muse wider Willen. Waters geißelt ihn als Prediger der Gier, als Fratze des Kapitalismus und vergleicht den US-Präsidenten mit dem skrupellosen Banker Gordon Gecko aus dem Film Wall Street. Eigentlich macht Roger Waters also wieder das, was er am besten kann: Er reißt Mauern nieder. Schließlich gäbe es kein Wir gegen sie, meint er. Nationalismus und der Glaube an die eigene Sonderrolle müssten überwunden werden.
Radiohead-Mann für Pink-Floyd-Legende
"Is This The Life We Want?" ist aber nicht nur politisch ambitioniert. Es ist mitunter auch schwer zu ertragen. Dann nämlich wenn Waters zwischen aufgeblasener Pop-Oper, Bombast-Rock und Musical pendelt. Wenn Waters dann den Vincent Pryce macht und tief am Boden eines Songs drohend dahingrummelt, hört man ihn deutlich: Waters, den engagierten und mitunter aggressiven Prediger.
Dabei hat Waters mit Produzent Nigel Godrich einen kongenialen Partner gefunden. Godrich darf sich ungeniert am Klang-, und Sound-Inventar von Pink Floyd bedienen, während Waters inmitten dieser vertraut-ausladenden Klang-Landschaften den Rufer in der Wüste gibt. Ob das ausladend, episch oder doch triefend selbstgerecht ausfällt - bei Waters verläuft diese Grenze verläuft nicht immer scharf.
Ein Fragezeichen, das Waters nicht braucht
Das Fragezeichen im Titel scheint jedenfalls rein rhetorischer Natur zu sein oder der britischen Höflichkeit geschuldet. Denn Roger Waters lässt an seiner Antwort keinen Zweifel: Nein, dieses Leben will er nicht. Roger Wates wie er auch mit 73 leibt und lebt: giftig, missionarisch und voller Inbrunst. Eine Platte wie eine Ein-Mann-Demonstration.