Altes Gebäude in Leakesville, Mississippi

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Der Dixie-Sound und seine Geschichte

Way Down South in Dixie

Als im Jahr 1681 der englische König Charles II. und der Londoner William Penn, designierter Gouverneur der Kolonie Pennsylvania, eine Charta aushandelten, die das Penn zugesprochene Gebiet im Süden mit dem 40. Breitengrad begrenzte, war beiden nicht bewusst, dass ihr Vertrag auf fehlerhaftem Kartenmaterial basierte.

Der 40. Breitengrad war auch die bereits seit 1632 vertraglich festgelegte Nordgrenze von Maryland, befand sich aber viel weiter im Norden als angenommen. Sogar Philadelphia, von Penn als Hauptstadt geplant und bereits kräftig im Wachsen begriffen, wäre demnach in Maryland gelegen.

Experten sollen Streit schlichten

Die Folge war ein mehrere Dekaden andauernder Grenzstreit zwischen Maryland und Pennsylvania, der erst in den 1760er Jahren beigelegt wurde, indem man zwei Experten aus England kommen ließ, die gemäß den neuen Verträgen das Land neu vermessen und die Grenzen neu festlegen sollten. Vier Jahre lang arbeiteten der Astronom Charles Mason und der Geodät Jeremiah Dixon eine fast 400 km lange Grenzlinie aus, die auch die Grenzen zu Virginia und Delaware neu regelte.

Als nach dem Erreichen der Unabhängigkeit in den USA der Streit um die Sklaverei entbrannte, wurde im Missouri-Kompromiss von 1820 eine der Trennlinien zwischen Sklavenhalterstaaten und sklavenfreien Gebieten "Mason and Dixon Line" genannt; ein Name, der in der Folge mit viel Pathos beladen werden sollte, steht er doch symbolisch für die soziale Kluft und die Mentalitätsunterschiede zwischen dem industriellen Norden und dem agrarischen Süden.

Mason-Dixon-Schild

AP/PATRICK SEMANSKY

Legenden besagen …

Die Verballhornung von Dixons Namen war es auch, die für den Süden der Vereinigten Staaten den Kosenamen Dixieland entstehen ließ - so will es zumindest die populärste der drei Herkunftslegenden. Nach anderen Erklärungen waren es die französisch mit "dix" bedruckten Zehn-Dollar-Noten aus Louisiana, oder aber ein Farmbesitzer namens Dix bzw. Dixie, der seine Sklaven so gut behandelt haben soll, dass "Dixie's Land" in Sklavenkreisen zur Metapher für einen paradiesischen Ort geworden sei.

Ebenfalls ein Schwarzer war es, dem Songwriter Daniel Decatur Emmett 1859 für eine Minstrel Show den Song "I Wish I Was in Dixie" in den Mund legte - wobei dieser Schwarze damals natürlich von einem weißen "Blackface"-Schauspieler dargestellt wurde:

I wish I was in the land of cotton,
Old times there are not forgotten.
Look away, look away, look away Dixie Land!
I wish I was in Dixie, Hooray! Hooray!
In Dixie’s Land I’ll take my stand,
To live and die in Dixie.
Away, away, away down south in Dixie!

Emmett hatte weder ahnen können, noch hätte er gewollt, dass sein Song bald zur inoffiziellen Hymne der konföderierten Südstaaten werden sollte. Das Lied genoss zwar im Norden bereits große Popularität, bevor es überhaupt in den Süden gelangte - Abraham Lincoln etwa ließ es schon vor dem Sezessionskrieg bei seinen Wahlkampagnen spielen -, doch als "I Wish I Was in Dixie" 1861 bei der Inauguration des Konföderierten-Präsidenten Jefferson Davis erklang, war sein Schicksal als "Südstaatensong" besiegelt.

Inauguration, 1861

AP

Inauguration, 1861

Hymne der abtrünnigen Staaten

Nicht zuletzt deshalb wurde nun oft auch "Dixieland" geografisch weitgehend gleichgesetzt mit dem Gebiet der abtrünnigen Staaten der Konföderation. Das geht allerdings viel zu weit, wenn man die kulturellen, sozialen und psychologischen Facetten berücksichtigt, die Assoziationen und Konnotationen, die mit "Dixie" einhergehen und die sich im kollektiven Bewusstsein und auch in der Musik der USA tief eingebrannt haben.

Weder der mexikanisch geprägte Westen von Texas noch der karibische Süden Floridas werden diesen Klischees gerecht. Ebenso wenig würde man auf die Idee kommen, Baltimore oder Washington, D. C. in Dixie anzusiedeln, obwohl diese Städte südlich der Mason-Dixon-Linie liegen.

Unscharf umrissenes Gebiet

Und so bleibt Dixie ein unscharf umrissenes Gebiet, das geografisch am ehesten in North und South Carolina, Tennessee, Georgia, Alabama, Mississippi, Louisiana und eventuell auch noch Arkansas zu finden ist - dem "Cotton Belt" und dem "Black Belt", und damit auch den Staaten mit dem größten afroamerikanischen Bevölkerungsanteil. Vor allem aber ist Dixie ein Land in den Köpfen der Menschen, und zwar vornehmlich der Weißen - die Projektion eines "Southern Way of Life" und die Verherrlichung der einfachen, freundlichen, freiheitsliebenden Leute im sonnigen Süden, die, wenn sie in Liedern besungen werden, freilich kaum jemals so wirken, als hätten sie eine dunkle Hautfarbe.

If you're from Alabama, Tennessee, or Caroline
Any place below the Mason-Dixon line
Then you're from Dixie,
Hurray for Dixie!
'Cause I'm from Dixie too!

Diese Zeilen schrieb der in Polen geborene New Yorker Jude Jack Selig Yellen. In der Vertonung von George L. Cobb wurde "Are You from Dixie?" im Jahr 1915 ein beliebter Vaudeville-Song.

Eine der ersten Jazzplatten

Ungefähr zur gleichen Zeit reisten fünf weiße Musiker von New Orleans nach Chicago, wo sie sich Original Dixieland Jass Band nannten. Ihre Aufnahme des "Dixieland Jass Band One Step" von 1917 war eine der ersten echten Jazzplatten und hatte enormen Erfolg. Durch sie hielt der Begriff Dixieland nun auch Einzug in den Jazz.

Als Genrebezeichnung kam Dixieland jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf, als in Zeiten des Bebop der "traditionelle" Hot Jazz ein Revival erlebte. Das verhalf nicht wenigen schwarzen Musikern von damals zu einem Comeback, doch auch dieses Dixieland blieb letztlich eine weiße, nostalgische Konstruktion.

Beim 1902 in Missouri geborenen afroamerikanischen Poeten Langston Hughes hat Dixie freilich einen völlig anderen Geschmack, wenn er im 1927 veröffentlichten Gedicht "Song for a Dark Girl" ein schwarzes Mädchen das Klagelied für ihren gelynchten Liebhaber anstimmen lässt:

Way Down South in Dixie
(Break the heart of me)
They hung my black young lover
To a cross roads tree.
Way Down South in Dixie
(Bruised body high in air)
I asked the white Lord Jesus
What was the use of prayer.

2013 wurde Hughes’ Gedicht von der Musikerin Leyla McCalla für ihr Album "Vari-Colored Songs" einfühlsam in Musik gebettet - zu hören ist dies neben vielen anderen musikalischen Facetten des Mythos Dixie in den "Spielräumen Spezial" am 2. Juli um 17.10 Uhr.

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