Frauenhand am Handy

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

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Algorithmen sind kein schnelles Wundermittel

Dass personalisierte Nachrichten-Seiten den Journalismus und den Workflow in den Medienhäusern verändern werden, ist unumstritten. Doch wer damit Erfolg haben will, muss jetzt in die Zukunft investieren und sollte von Facebook, Amazon und Google lernen, sagen Experten.

In Österreich ist "Der Standard" das erste und noch einzige Medienhaus, das gerade einen News-Algorithmus entwickelt. Dieser soll Nachrichten auf der Website personalisieren, also nach individuellen Bedürfnissen und Vorlieben anzeigen. Vorbild ist unter anderem das schwedische "Svenska Dagbladet", das seit einigen Jahren schon erfolgreich mit einem Algorithmus arbeitet und zukünftig auch in Richtung Personalisierung gehen möchte.

Der Trend der Personalisierung ist angesichts der Fülle von Informationen im Netz nicht aufzuhalten, wie Experten sagen. Amy Webb vom Future Today Institute etwa hat zuletzt beim GEN-Summit in Wien die Medienhäuser davor gewarnt, diesen Zug zu verpassen. Man dürfe nicht zuwarten, sondern müsse loslegen und sich mit den Leuten, die das Know-how haben, Strategien überlegen, sagt Amy Webb.

Facebook-Daumen

AFP/ROBYN BECK

Facebook & Co dominieren

Basis von Algorithmen ist künstliche Intelligenz. In diesem Bereich haben die Tech-Giganten den Medienhäusern jedoch einiges voraus. Vor allem IBM, Apple, Google, Facebook, Microsoft, das chinesische Baidu und Amazon geben hier den Ton an. Wenn der Journalismus der Zukunft auf Personalisierung und Algorithmen setzen möchte, müssen die Medienhäusern also von den großen Technik-Konzernen wie Facebook und Amazon lernen. "Auch wenn Facebook als Buhmann gilt, würde ich mir die Entwicklung dort genau anschauen und schauen, wo die spezifischen Probleme liegen. Facebook ist ja selbst oft auf den Bauch gefallen und hat einige negative Erfahrungen gemacht, die man vielleicht nicht nochmal machen muss", sagt Heinz Wittenbrink. Er unterrichtet an der FH Joanneum in Graz Journalismus.

Langwierige Entwicklung

Wittenbrink meint damit zum Beispiel "Paper", eine Newsreader-App, die ursprünglich bejubelt worden ist, dann aber nicht sehr erfolgreich war. Nachrichten zu personalisieren sei ein ganz besonders aufwändiges Gebiet, da brauche man einen sehr langen Atem, sagt Wittenbrink: "Deep Learning Systeme müssen extrem lange geschult werden. Sie brauchen lange, bis sie etwas erkennen und wirklich Leserverhalten herauskriegen. Wer das machen will, muss entsprechend investieren und Kenntnisse erwerben."

Die führenden Unternehmen Google und Facebook arbeiten zudem nicht nur mit Algorithmen, sondern mit menschlichen Testern. "Sie überprüfen ihre Algorithmen extrem sorgfältig", erklärt Wittenbrink. "Die Frage ist, wie weit man so etwas nachmachen kann und ob man da mit Algorithmen nicht nur relativ primitive Angebote hinkriegt."

Messestand der chinesischen Social-Media-Plattform Toutiao.com

Messestand der chinesischen Social-Media-Plattform Toutiao.com

AP/NI YANQIANG

"Toutiao" in China als Extrembeispiel

Alles andere als primitiv sind die Vorreiter der Branche, wie zum Beispiel "Toutiao", ein erfolgreiches, extrem personalisiertes Nachrichten-Portal in China, das von einem Programm gesteuert ist, das Interessen, Gefühle, aktuellen Aufenthaltsort und aktuelle Tätigkeit einbezieht. Die Seite hat 78 Millionen aktive Nutzer täglich. Sequoia, eine kalifornische Beteiligungsgesellschaft, hat gerade eine Milliarde US-Dollar in diese App investiert. "Toutiao" repräsentiert mit einem geschätzten Wert von 12 Milliarden Dollar das größte Medienunternehmen Chinas.

Algorithmen sind auch harte Arbeit

An Algorithmen und Personalisierung führt kein Weg vorbei, das ist auch die Schlussfolgerung von Heinz Wittenbrink. Wittenbrink warnt die Medienhäuser aber gleichzeitig, sich Illusionen hinzugeben: "Man darf als Medienunternehmen nicht hoffen, dass man ganz schnell Wundermittel bekommt. Man sollte sich daran orientieren, wie Facebook und Google beim Filtern ihrer Web-Angebote vorgehen und das ist viel differenzierter und vorsichtiger als man sich denkt."

Sollte es jemals zu einer Reform der Medienförderung kommen, dann wäre die Förderung nicht nur von Journalisten-Arbeitsplätzen, sondern auch von Programmierer-Jobs, jedenfalls ein lohnender Ansatz, meint Wittenbrink.

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