Isabelle Huppert

APA/AFP/Anne-Christine POUJOULAT

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Isabelle Huppert - Eine Kategorie für sich

Als "die vielleicht größte europäische Schauspielerin" wurde Isabelle Huppert in der "FAZ" einmal bezeichnet, und generell geraten Filmkritiker regelmäßig ins Schwärmen angesichts ihrer präzisen Bühnenpräsenz. Aber was ist es, das die Huppert für viele so besonders und faszinierend macht?

Kulturjournal | 07 07 2017

Judith Hoffmann

380.000 Ergebnisse liefert die Suche nach den Schlagworten "Isabelle Huppert brillant", immerhin noch 30.500 für dieselbe Kombination mit "großartig". Die Gesamtheit europäischer Feuilletonisten scheint ihr ebenso zu Füßen zu liegen, wie die europäischen Regiegrößen.

Bedeutungsvolle Ausdruckslosigkeit

Jüngst ergoss sich Paul Verhoeven bei der Golden-Globe-Verleihung in Überschwänglichkeiten, während sie sich daneben regungslos an ihre Trophäe klammerte und keine Mine verzog. Halt, nein, doch … bei genauem Hinsehen war ein leichtes Kopfnicken zu erkennen, außerdem der Ansatz eines zufriedenen Lächelns. Mit genau diesem Gesichtsausdruck schreitet sie regelmäßig über die zahlreichen roten Teppiche der Filmwelt und mit diesem Gesichtsausdruck stellt sie auf der Leinwand gefühlte 30 Facetten der menschlichen Psyche in ebenso vielen, nur Millimeter voneinander getrennten, physiognomischen Abstufungen dar.

Schon früh hatte die Huppert ihren Huppert-Blick perfektioniert, diesen gut dosierten Öffnungsgrad der Lider, der in zwei Sekunden locker zwei Seiten Drehbuchdialoge ersetzt. Passend dazu natürlich die stets leicht nach unten weisenden Mundwinkel, die bei Bedarf abwechselnd, einzeln oder gemeinsam zucken, sich zum Schmollmund zusammenziehen oder zum dezenten Lächeln etwas verbreitern. Und da ist schließlich der Huppert-Tonfall, zwischen Erhabenheit und graziler Enerviertheit, mit der sie ihre Filmpartner mühelos an die Wand spielt, ohne ausfällig oder laut zu werden.

Keine Scheu vor Skandalen

Ob als sadistische Klavierlehrerin oder als abgebrühtes Opfer einer Vergewaltigung, sie hat vor nichts Angst auf der Leinwand, wie sie beteuert. Claude Chabrol, 40 Jahre lang überzeugter Huppert-Regisseur, ließ sie 1988 in "Eine Frauensache" das blasphemische Mariengebet sprechen "Ave Maria, verdammt sei dein Leib, der nur Scheiße enthält". Und 1974 führten Patrick Dewaere und Gérard Depardieu in "Die Ausgebufften" die junge rothaarige und pausbackige Huppert gemeinsam in die hohe Kunst der Erotik ein.

Der Körper als Instrument

Mit der Huppert kann man es ja machen. Sie meistert jedwede peinliche Körperlichkeit mit Eleganz und Intellekt. Nur beim Singen hilft ihr diese intellektuelle Überlegenheit rein gar nichts, das muss an dieser Stelle leider festgehalten werden. In Francois Ozons "8 Frauen" und kürzlich wieder in "Ein Chanson für dich" ist nie ganz klar, ob ihre Stimme wirklich absichtlich so dünn ausfällt wie die Figur, aus der sie in den Äther gehaucht wird.

Aber spätestens wenn sie dann mit dem Whiskeyglas in der Hand am Klavier sitzt und sich räuspernd und gurgelnd einsingt, ist die ganze Größe wieder da. Niemand scheitert mit so viel Klasse.