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"Jedermann" in der Felsenreitschule
Am Freitag stand Tobias Moretti erstmals als Jederman in Salzburg auf der Bühne. Mit viel Spannung war die Premiere mit dem Vollblutschauspieler und Publikumsliebling erwartet worden, als dessen Buhlschaft Stefanie Reinsperger ins Rennen ging. Moretti hat in dieser Neuinszenierung seine Ideen von Hofmannsthals "Jedermann" zusammen mit Regisseur Michael Sturminger umgesetzt - der nach einem Zerwürfnis mit dem letzten Regieteam Julian Crouch und Brian Mertes kurzfristig eingesprungen war.
12. Mai 2018, 10:36
Morgenjournal, 22.7.2017
Etwas Domplatzfeeling kam sogar in der Felsenreitschule auf, wohin die "Jedermann"-Premiere wegen eines Gewitters verlegt werden musste. Dort stand Tobias Moretti mit Sonnenbrille und blauem Morgenmantel als zynisches Ekel auf der Bühne. Keine Spur mehr von dem fröhlichen Lebemann, der der Jedermann noch in der letzten Inszenierung von Julian Crouch und Brian Mertes war.
Aus der Mitte der Gesellschaft
In dieser Inszenierung treten die Armen plötzlich in Anzug mit Krawatte auf, in Kostümchen und die Kinder sind blitzsauber mit rosa Maschen im Haar. Sie sehen aus wie Rechtsanwälte und Bankerinnen, die sagen, dass Herzen, die mit Geld in Berührung gekommen sind, nimmer genesen werden. Eine Regieidee, die wohl auf die zunehmende Verarmung des Mittelstands hinweisen soll. Oder darauf, dass Jedermann aus der Mitte der Gesellschaft gegriffen ist. Ein Mensch wie Du und ich, der auf seinen Vorteil schaut, der erfolgreich, egoistisch und rücksichtlos ist.
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Einige Textänderungen sorgen für Lacher: etwa, dass der Jedermann den Dom für sich als Palast kaufen und an der Stelle des Taufbeckens sein Bad einbauen will. Eine lustige Regieidee ist auch Mammon, der als verspielter goldener Hund auf die Bühne tollt.
Trotz dieser unterhaltsamen Einfälle wirkt die Inszenierung lange hölzern und deklamatorisch. Bis Tobias Moretti auftaut und den Abend in Fahrt bringt. Dann verkörpert er sehr glaubhaft den geängstigten und daher zweifelnden und verzweifelten Jedermann, der dank einiger Eingriffe in den Text ein fast inniges Verhältnis zu seiner Buhlschaft findet.
Die starke Frau
Viel Format hat diese Buhlschaft, die eine starke Frau sein darf und nicht den gängigen Weibchenklischees entspricht. Trotzdem, eine Inszenierung mit einigen Schwächen - kein Wunder, wurde das Regieteam im fliegenden Wechsel erst zu Ostern ausgetauscht.