Frau sitzt vor Warhols "Marilyn 1967"

AFP/BEN STENSALL

Positionen in der Kunst - Andy Warhol

Der 1986 verstorbene Pop Art-Künstler Warhol wird bis heute durchgehend in den Top Ten aller Art Rankings gelistet und zu den bedeutendsten und einflussreichsten Künstlern des 20. Jahrhunderts gezählt.

Andy Warhol

AP/MARTY LEDERHANDLER

Andy Warhol

Alles, was er je gemacht oder zumindest initiiert hat, ist dutzendfach analysiert worden – fallweise bis zum Überdruss. Der permanente Starkult überlagert allerdings seine Rolle als Katalysator einer gegenkulturellen Bewegung, die in seiner Factory, seiner Kunstfabrik in New York, ihren Schauplatz fand: Schwule, Boheme-Poeten und Pop-Künstler, arme Amphetamin Heads und ausbruchswillige Rich Kids gingen einen Bund aus "Intelligenz und Trash" ein und bildeten eine Kreativzelle, die den Mythos Warhol erst mit Leben und produktiver Energie füllten.

Im Gegensatz zu den naiven Blumenkinder - Weltentwürfen der Hippie-Epoche, die Erlösung zum Nulltarif versprachen, hielten sich in Warhols Welt Utopie und Dystopie immer die Waage. So ist seine künstlerische Vision von einer Existenz im Zeichen von Entgrenzung, Exzess und Selbstbespiegelung auch in Zeiten von Instagram und sozialen Netzwerken erstaunlich modern und unantastbar geblieben. Motto: "I'll be your mirror, reflect what you are in case you don't know" .

Das "Exploding Plastic Inevitable"

1967 in den USA. Seit gut einem Jahr tourt der dämonischste Rock ´n` Roll Zirkus aller Zeiten durchs Land: Das ´Exploding Plastic Inevitable`, eine aufwändige Multimedia-Show, wie man sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen hatte – konzipiert von Andy Warhol. Der Pop-Papst projizierte Filme und Slides auf die Musiker und ließ Stroboskoplichter flackern, Warhol`s Assistent Gerard Malanga und Mary Woronov führten in schwarzem Leder wilde sadomasochistische Peitschentänze auf und die Band The Velvet Underground errichtete dazu eine Wall of Sound.

Die Multimedia-Show des Andy Warhol, in die auch Velvet Underground-Songs wie "Venus in Furs" eingearbeitet wurden, war ein ganz bewusstes Ostküsten - Gegenprogramm zu den Blumenkinder-Weltentwürfen im Avalon Ballroom von San Francisco, wo ebenfalls mit bewusstseinserweiternden Mitteln gearbeitet wurde – aber unter gänzlich anderen Vorzeichen.

Die "Silver Factory"

Das Atelier in der 42 Straße, das mit Silberfolie ausgekleidet wurde und als "Silver Factory" bis heute legendär ist, war laut dem Kunsthistoriker Christian Höller, vieles: Zum einen ein Käfig voller Narren, in dem das freakige New York, aber auch Stars wie Salvador Dali, Marcel Duchamp oder Susan Sontag gerne verkehrten, aber auch eine Art Kunst-Fließband, in dem die Werke fast schon wie am Fließband hergestellt wurden.

Sleep, Kiss, Haircut usw.

Andy Warhol, 1928 in Pittsburgh geboren, war 1967 längst ein Star: Emblematische Werke wie die Campbell-Suppendosen, die Brillo-Boxen und zahlreiche berühmte Siebdruck-Serien lagen bereits hinter ihm. Doch der Pop Art-Maestro war gelangweilt von der Routine des Kunstbetriebes und hatte auf ein neues Metier umgesattelt: er drehte Filme.

Die Filme hießen Sleep, Kiss, Haircut, Blowjob, Eat und bestanden aus einer einzigen Einstellung, die sich über zahlreiche Filmrollen erstreckte. Zu sehen waren Menschen beim Schlafen, Küssen, Essen und so weiter.

Nico und Andy Warhal

Nico und Andy Warhal

AP/MARTY LEDERHANDLER

Das Ende der Factory-Epoche

1967 erschien dann endlich auch das erste Album von Andy Warhols Factory-Band mit dem Titel The Velvet Underground and Nico – Eineinhalb Jahre nachdem es aufgenommen worden war. Warhol ist auf der Platte als Produzent vermerkt und er entwarf auch das berühmte Cover mit der Banane.

Die Sängerin Nico war auf Betreiben von Andy Warhol in die Band gekommen, gegen den Willen von Lou Reed. Sie verließ die Band auch recht schnell wieder und The Velvet Underground sagten sich von ihrem Mentor und Manager los und nahmen ihre Karriere selbst in die Hand. Das war der Beginn des Endes der glorreichen Factory-Epoche. Das Exploding Plastic Inevitable implodierte und Andy Warhols Muse Edie Sedgwick begab sich auf einen üblen Drogentrip, der zu ihrem frühen Tod wenige Jahre später führte.

Die Factory zog weiter in ein neues Domizil am Union Square und machte Schluss mit der Open Door Policy: Nun wurde genau kontrolliert, wer hereinwollte. Die Marke Warhol ließ sich mit Celebrity-Porträts und dem Aufmerksamkeits-Kult, den die Zeitschrift-Interviews und die Cable TV-Auftritte von Warhol mit sich brachten, noch stärker im allgemeinen Bewusstsein verankern. Doch die kreative Freak-Show der Silver Factory war endgültig erledigt.

Arbeitstier und ein Control Freak

Heute gilt die Warhol-Epoche der mittleren 1960er Jahre als Goldenes Zeitalter des Undergrounds, in der man die Fesseln einer repressiven Mehrheitsgesellschaft abstreifen konnte. Andy Warhol bleibt jedoch ein Künstler, der immer, wenn man glaubt, ihn endlich dingfest gemacht zu haben, schon wieder echappiert ist: Andy Warhol, der unbewegte Beweger, der Propagandist eines laissez-faire, der selber ein Arbeitstier und ein Control Freak war.