OGM-Chef Wolfgang Bachmayer (c) APA/GEORG HOCHMUTH
Umfragen im Wahlkampf
Der Spagat zwischen Information und Unterhaltung
Mehr denn je stehen Meinungsforscher und Medien unter Beobachtung, wie Umfragen zustande kommen und wie sie ausgewertet werden. Ihre Währung: Glaubwürdigkeit - in einem Geschäft mit Information und Unterhaltung. Ein Blick auf die Zeitungen "Heute", "Österreich" und den TV-Sender Puls4 zeigen unterschiedliche Wege.
6. November 2017, 02:00
"Bitte, bitte vergessen Sie die Umfragen", Sebastian Kurz (ÖVP) schwört seine Fans ein, ihm am 15. Oktober auch ganz sicher ein Kreuzerl zu geben, und sich nicht darauf zu verlassen, dass die Umfragen ihn bei der Wahl längst auf Platz 1 sehen. Christian Kern (SPÖ) macht sich über die Umfragen lustig: "Ich halte es mit Umfragen wie mit dem Horoskop. Ich glaube an beide nicht."
Zwei unterschiedliche Botschaften, die selbe Befürchtung: Umfragen können Wähler beeinflussen, sie mobilisieren oder demobilisieren. Ob SPÖ oder ÖVP, die Politiker werden nicht erst in diesem Wahlkampf von Umfragen umhergetrieben.
Politische Bedeutung von Umfragen
Schon die Tatsache, dass Österreich frühzeitig wählt, habe mit Umfragen zu tun, sagt Christoph Hofinger vom Meinungsforschungsinstitut SORA: "Die Umfragen spielen eine Rolle, dass es diesen Wahlkampf überhaupt gibt. Es gab bei der ÖVP das Gefühl, dass sie mit Reinhold Mitterlehner keine Chance hat, in der Auseinandersetzung um die Nummer Eins eine Rolle zu spielen. Das war mitverantwortlich, dass es zu dem Wechsel (an der Spitze, Anm.) gekommen ist."
Meinungsforscher sind aber darum bemüht, ihren politischen Einfluss herunterzuspielen. Kein Wunder, stehen sie doch nach Fehleinschätzungen rund um Brexit, US-Wahl und Wien-Wahl in der Kritik. Unermüdlich betonen sie, wie klein ihr Einfluss auf Wahlen sei und dass sie keine Prognosen, sondern nur Momentaufnahmen liefern.
"Heute" legt die Latte hoch
Meinungsforscher Peter Hajek ist in diesem Wahlkampf durch die Redaktionen getingelt, um Journalisten und Journalistinnen aufzuklären, wie Umfragen zustande kommen - nicht zuletzt, um nicht der Buhmann zu sein, wenn Wahlergebnis und Umfragen unterschiedlich ausfallen. Die Gratiszeitung "Heute" hat aus der Wien-Wahl eine Konsequenz gezogen und mit Meinungsforscher Hajek, dessen Institut Unique Research die Umfragen für "Heute" macht, entschieden, Lesern mehr Information zu bieten, damit sie die Bedeutung von Umfragen besser einschätzen können.
Zwei Wochen vor der Wahl ist Schluss mit Umfragen von "Heute". Insgesamt gab es heuer nur vier Umfragen, die das Gratisblatt in Auftrag gegeben hat. Dass man dadurch auch Geld spart, bestätigt Chefredakteur Christian Nusser nicht: "Geld spart man sich deswegen nicht, weil wir uns nach der Wien-Wahl dazu entschlossen haben, die Sample-Größe zu erhöhen. Die Umfragen an sich kosten im Einzelstück mehr, dafür machen wir weniger", erklärt Nusser.
"Österreich": Umfragen und Wetten im Kombipack
Niemand hat so viele Umfragen veröffentlicht wie die Tageszeitung "Österreich". Allein im September gab es jede Woche eine, und daraus macht die Zeitung über Tage hinweg gleich mehrere Schlagzeilen. Es wurden jeweils 600 Personen befragt, ausschließlich online, was zur Folge hat, dass ältere Personen nicht erreicht werden. Das nimmt Sabine Beinschab, die mit ihrem Institut Research Affairs die Umfragen macht, in Kauf. Für die aktuellen Umfragen würden immerhin 1.000 Personen befragt. Es gehe darum, die Schwankungsbreite zu reduzieren.
Auffallend: "Österreich" kooperiert mit dem Wettanbieter Bet-at-Home. In der Zeitung werden Live-Wetten auf die TV-Duelle auf dem hauseigenen Sender oe24.TV beworben. Umfragen und Wetten im Kombipack. "Österreich" sieht das spielerisch und setzt auf Unterhaltung. "Irgendwie sind die Umfragen die Würze. Was wäre der Wahlkampf ohne Umfragen? Das wäre doch total langweilig", sagt Beinschab.
Puls4: Die schnelle Analyse
Noch einmal an Bedeutung gewonnen haben Umfragen durch den intensiven TV-Wahlkampf. Bei Puls4 wird die Umfrage gleich mit den Duellen mitgeliefert. Kaum haben die Spitzenkandidaten fertig diskutiert, schon ist Meinungsforscher-Urgestein Wolfgang Bachmayer von OGM mit Umfragen zur TV-Debatte und mit einer Analyse zu Stelle. Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger, Buchautorin zum Thema Meinungsforschung, spricht von Meinungsmache: "Hier wird auf eine sehr spontane, rasante Art und Weise Meinung erhoben, die in der Folge sofort interpretiert wird. Ich denke, dass in der interpretierten Meinung auch ein Stück weit Meinungsmache liegt."
Den Vorwurf der Meinungsmache schmettert Bachmayer ab, dessen Geschäft die Analyse ist. Man wolle die Interpretation nicht den Medien überlassen, sagt er und legt nach: "Das Ergebnis kann natürlich Meinung machen, indem Medien sagen, A war besser als B. Das sehe ich aber in keiner Weise als manipulativ an." Natürlich könnten Umfragen ein Meinungsbild verstärken, sagt Bachmayer, "aber nur wenn es im Grunde bereits vorhanden ist".