Richard Henderson

AP/FRANG AUGSTEIN

Nobelpreiswoche in den Dimensionen

Seit 1901 wird der Nobelpreis für überragende Leistungen in Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Arbeit für den Frieden verliehen. Seit 1969 auch für den Bereich Wirtschaft. Die Nobelpreise werden jedes Jahr am 10. Dezember in Stockholm, dem Todestag des Stifters der Preise Alfred Nobel, überreicht. Im Vorfeld widmen die Dimensionen prämierten Forschern in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie und Wirtschaft eine Wochenserie.

"Prizes to those who, during the preceding year, shall have conferred the greatest benefit to mankind." Alfred Nobel

Wie unsere innere Uhr tickt

Der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie geht an die drei US-amerikanischen Chronobiologen Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michel W. Young.

Gewinner des Medizin-Nobelpreises

Gewinner des Nobelpreis für Medizin oder Physiologie.

AP/TT/JONAS EKSTROMER

"For their discoveries of molecular mechanisms controlling the circadian rhythm".

Ausgezeichnet wurden die drei Wissenschaftler für die Entdeckung der molekularen Mechanismen, die den so genannten zirkadianen Rhythmus steuern. Die "innere Uhr", nach der Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze und sogar Bakterien "ticken".

Sie arbeitet äußert präzise und steuert fast alle Prozesse in unserem Körper, von der Regulierung des Zuckerhaushaltes über das Herz-Kreislauf-System bis zur Produktion von Blutzellen. Wenn wir unseren Tag-Nacht-Rhythmus entgegen der inneren Uhr verändern, hat das Folgen.

Ein bekanntes Beispiel ist der Jetlag, der nach Langstreckenflügen über mehrere Zeitzonen auftritt. Dauerhaft gegen die innere Uhr zu leben, erhöht das Risiko für verschiedene Erkrankungen. Das Prinzip eines inneren "Taktgebers" war schon seit langem bekannt. Dessen genaue Funktionsweise, an der bestimmte Gene und Proteine beteiligt sind, konnten aber erst die diesjährigen Medizin-Nobelpreisträger klären.

Der direkte Nachweis von Gravitationswellen

Der Physik-Nobelpreis geht an Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne für den Nachweis, der von Albert Einstein vorhergesagten, Gravitationswellen. Doch überzeugt war Albert Einstein von seiner Entdeckung nicht. 1936 bescherten ihm die Gravitationswellen sogar nichts als Ungemach.

Barry Barish und Kip Thorne

Barry Barish und Kip Thorne

AP/JAE C. HONG

"For decisive contributions to the LIGO detector and the observation of gravitational waves."

Diese Wellen entstehen bei der Beschleunigung unvorstellbar großer Massen, etwa beim Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher. Dadurch wird der Raum verzerrt, die Störung breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit im Universum aus. Die nachgewiesene Existenz von Gravitationswellen liefert nun direkte Beweise für die Störung der Raumzeit selbst.

Die Gravitationswellen, die LIGO-Forscher im September 2015 mit ihrer ultrasensiblen Messapparatur aufgefangen hatte, entstanden vor 1,3 Milliarden Jahren bei der Verschmelzung zweier Schwarzen Löcher. Dabei wurden unvorstellbare Mengen an Energie freigesetzt.

Kip Thorne hat die physikalischen Eckdaten dieses gewaltsamen Aktes berechnet. Der Sturm, so Thorne, war kurz, nur 20 Millisekunden lang. Doch in diesen 20 Millisekunden gab die kosmische Karambolage 50 Mal mehr Energie an ihre Umgebung ab als alle Sterne des Universums.

Aus den Gravitationswellen kann man auch auf die Masse der beiden Schwarzen Löcher schließen. Sie wogen vor ihrer Verschmelzung 30 bzw. 35 Sonnenmassen. Was laut herkömmlicher Theorie unmöglich ist, weil Sterne dieser Größenordnung ihr Leben normalerweise in Form einer Explosion aushauchen - und den Großteil ihrer Materie ins Universum schleudern. Stürzt der verbliebene Rest zu einem Schwarzen Loch zusammen, bleibt ein Rest von höchstens 15 Sonnenmassen übrig, mehr geht nicht.

Das Übergewicht der Schwarzen Löcher ließe sich allenfalls dadurch erklären, dass diese bereits kurz nach der Geburt des Universums aus dem "Urbrei" der Materie entstanden sind. Ob das stimmt, müssen die Forscher von LIGO und ihrem europäischen Gegenstück VIRGO in den nächsten Jahren klären.

"Das ist etwas völlig Neues, was uns den Blick auf eine bisher ungesehene Welt eröffnet. Eine Fülle an neuen Entdeckungen erwartet jene, die es geschafft haben, die Wellen aufzuzeichnen und nun ihre Botschaft entschlüsseln", so das Nobelpreis-Komitee in der Begründung.

Kryoelektronenmikroskopie: Ein kühler Blick auf die Moleküle des Lebens

Der Preis würdigt eine coole Methode, die Moleküle des Lebens sichtbar zu machen, hieß es bei der Bekanntgabe der diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger Jacques Dubochet, Joachim Frank und Richard Henderson.

Jacques Dubochet

Jacques Dubochet

AFP/FABRICE COFFRINI

"For developing cryo-electron microscopy for the high-resolution structure determination of biomolecules in solution."

Der Mensch besteht zum größten Teil aus Wasser. Alles, was in jeder Zelle unseres Körpers passiert, geschieht in wässriger Lösung und im Nanometerbereich. Lange waren die kleinsten Einheiten des Lebens in ihrer natürlichen Umgebung nicht sicht- bzw. darstellbar.

Unter dem Kryoelektronenmikroskop wurden erstmals gefrorene Biomoleküle sichtbar. Damit können nicht nur einzelne Proteine optisch aufgelöst werden. Spielt man einzelne Standbilder wie einen Film ab, kann man Molekülen auch bei der Arbeit zusehen. Eine methodische Revolution in der Strukturbiologie. Erst kürzlich wurde beispielsweise das Zika-Virus mithilfe des preisgekrönten Verfahrens genau analysiert.

Gewinn ist nicht alles: Warum Menschen irrational handeln

Geht es ums liebe Geld, verhalten sich Menschen möglichst rational - könnte man meinen. Dass dem nicht so ist, demonstrierte der US-amerikanische Ökonom Richard H. Thaler über Jahrzehnte in seiner Forschung. Für seine Erkenntnisse erhält der Pionier der Verhaltensökonomie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 2017.

"For his contributions to behavioural economics."

Thaler konnte zeigen, warum sich Menschen in wirtschaftlichen Belangen nur selten so verhalten, wie herkömmliche ökonomische Theorien es prognostizieren. Weil es uns nicht ausschließlich um Gewinnmaximierung geht, agieren wir vorhersagbar irrational.

Zwei Beispiele: Während eines Regensturms die Preise für Regenschirme zu erhöhen, finden wir ungerecht und kaufen deswegen nicht. Sinken die Benzinpreise, sparen manche Autofahrer/innen kein Geld, sondern geben es für teureres Premiumbenzin aus.

Illustratioin

JOHAN JARNESTAD/THE ROYAL SWEDISH ACADEMY OF SCIENCES

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