
ALBERTO VENZAGO/DIOGENES VERLAG
Literatur
Bernhard Schlink über die starke "Olga"
Der Jurist und Romanautor Bernhard Schlink setzt sich in seinem Werk immer wieder mit Vergangenheit auseinander und mit dem Versuch, Vergangenheit zu bewältigen. In seinem berühmtesten Roman "Der Vorleser" geht es um den Umgang mit dem Holocaust. In späteren Werken macht Schlink den RAF-Terrorismus der Bundesrepublik zu seinem Thema und jetzt hat er einen neuen Roman vorgelegt, der dem bekannten Muster folgt. Das Buch "Olga" erzählt die Geschichte einer starken Frau, die sich durch ein bewegtes Leben kämpft. Von der deutschen Kolonialzeit bis in die 1970er Jahre.
19. Februar 2018, 02:00
Mittagsjournal | 19 01 2018
Birgit Schwarz
"Ich schreibe, um gelesen zu werden, aber nicht, um aufzuklären." Bernhard Schlink
Kulturjournal | Der Autor im Interview
Bernhard Schlink kommt alleine zum vereinbarten Treffpunkt im Berliner Literaturhaus. Er lebt sein Leben so, als hätte er nie einen Weltbestseller geschrieben. Obwohl er schon über 70 ist, gibt er weiter Seminare für Juristen und er freut sich, wenn sich in ihm der Stoff für einen neuen Roman entwickelt. Seine neue Titelheldin Olga ist eine Frau, die sich aus einfachsten Verhältnissen herauskämpft.
"Sie ist eine Frau mit einem Aufstiegs- als Bildungswillen - wie es ihn im späten 19. Jahrhundert etwa bei der Arbeiterbewegung gegeben hat. Sie ist eine starke Frau. Und ein bisschen hat in Olga Eingang gefunden die Näherin, die bei uns in der Familie genäht hat", so Schlink.

DIOGENES VERLAG
Streifzug durch deutsche Zeitgeschichte
Olga verliebt sich in den Gutsherrensohn Herbert. Doch Herbert verlässt sie und sucht das Abenteuer, zuerst als Kämpfer im kaiserlichen Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika, dann bei weiteren Auslandsreisen, bis er schließlich im ewigen Eis der Arktis verschollen bleibt.
Mit seiner Olga streift Bernhard Schlink schlaglichtartig durch die deutsche Zeitgeschichte von Bismarck über die Weimarer Republik, zu den Nationalsozialisten bis hin zu den Studentenunruhen der 68er. Und immer wieder legt er Olga eine These in den Mund: den Deutschen sei immer alles zu groß geraten. Die Kolonialen Phantasien, die blutige völkische Ideologie der Nazis und später das Moralisieren der 68er. Aber auch die guten Ideen.
Mehr dazu in: ORF.at - Bernhard Schlink: Deutschland und die Mentalitätsfalle
Sieht das Bernhard Schlink auch so? "Zunächst denkt das Olga", sagt der Autor. "Sie liebt - wie alle Autodidakten - die schneidigen Erklärungen über große komplexe Zusammenhänge. Also die These, dass den Deutschen alles zu groß gerate, ist ein bisschen schneidig geraten - aber sie hat natürlich einen Punkt."
Die deutsche Vergangenheit ist für Bernhard Schlink als Hintergrund für seine Romane nicht wegzudenken. "Ich sehe uns immer wieder durch die Geschichte geprägt - von der Familiengeschichte bis zur großen nationalen und Weltgeschichte. Sie findet ganz von selbst den Weg in meine Geschichten und Romane."
"Den Deutschen ist immer alles zu groß geraten."
Politisches ist privat - Privates politisch
Das Politische ist privat und das Private politisch. Auch das ist ein Grundton, der sich in Schlinks Romanen immer wieder findet. Bernhard Schlink sagt, er schreibe, um gelesen zu werden. Aber nicht um aufzuklären. Mag sein, dass manche seiner Leser und Leserinnen das anders empfinden.
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Bernhard Schlink, "Olga", Roman, Diogenes