Asli Erdogan

APA/AFP/dpa/MOHSSEN ASSANIMOGHADDAM

Meinungsfreiheit

Asli Erdogan kommt nach Wien

Die türkische Autorin absolviert am 3. Februar ihren ersten Österreich-Besuch seit ihrer Gefangenschaft - das Wiener Werk X widmet ihr eine Personale samt Podiumsdiskussion.

Morgenjournal | 25 01 2018

Sebastian Fleischer

Kulturjournal | Interview

Die türkische Schriftstellerin Asli Erdogan gilt als Symbolfigur für den Kampf um Meinungsfreiheit und gegen politische Willkür in ihrem Land. Als Kolumnistin der prokurdischen Zeitung "Özgür Gündem" schrieb sie über die Gewalt an Frauen oder die Repressionen gegen Kurden in der Türkei - und geriet so ins Visier der Staatsführung. Ab dem Sommer 2016 war Erdogan vier Monate im Gefängnis und durfte danach lange nicht ausreisen.

"Kafkaeskes Gerichtsverfahren"

Nun lebt sie in einer trügerischen Freiheit: Letzten September hat die Autorin ihren Pass zurückerhalten; sie darf wieder aus der Türkei ausreisen und die zahlreichen Menschenrechtspreise, die ihr in der westlichen Welt zuerkannt wurden, persönlich entgegennehmen. Doch sie ist weiter wegen Mitgliedschaft in und Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK angeklagt, und es ist völlig unklar, ob und für wie lange sie wieder ins Gefängnis muss. Alles hänge vom Willen der Staatsführung ab, sagt Asli Erdogan.

"Jeder weiß, dass ich in allen Anklagepunkten, die sie in diesem kafkaesken Gerichtsverfahren gegen mich angeführt haben, unschuldig bin. Die Staatsanwaltschaft, der Richter, die ganze Welt weiß es, und auch die Regierung - aber schert sie sich darum? Ich weiß es nicht."

Dem "kafkaesken Verfahren", wie es Erdogan ausdrückt, ging die große Verhaftungswelle in Folge des gescheiterten Putschversuchs gegen die Regierung voraus. In deren Rahmen wurden Asli Erdogan und neun weitere Mitarbeiter von "Özgür Gündem" im Sommer 2016 festgenommen.

In ihrer viermonatigen Untersuchungshaft wurde die Autorin schwer krank, notwendige Medikamente wurden ihr zum Teil verwehrt; und dennoch verteidigte sie sich im Prozess selbst und widerlegte anhand jeder einzelnen Kolumne, die Gegenstand der Anklage war, den Vorwurf der "Terrorpropaganda". Dieser sei freilich absurd: Ihr sei es nie um politische Agitation, sondern stets um menschliche Schicksale gegangen, sagt Erdogan - ob sie nun über die verbreitete Gewalt an Frauen, die Diskriminierung der kurdischen Bevölkerung oder die Situation in Gefängnissen geschrieben habe.

Sensibel und einsam

"Aber vielleicht hatte ja gerade dieses Vorgehen Methode", mutmaßt die Autorin. "Wenn jemand verhaftet und verurteilt wird, der die Regierung sehr scharf kritisiert, fürchtet sich niemand, weil der Ausgang zu erwarten war. Bei mir war es anders: Man kennt mich in der Türkei gut, ich werde als sensibel und einsam wahrgenommen. Die Leute haben sich gedacht: Wenn die lebenslang hinter Gitter kommt, kann es mich noch härter treffen."

Niemand, der ihre Literatur kenne und schätze - und darunter fänden sich paradoxerweise auch Mitglieder der Regierungspartei AKP, und sogar Justizwachebeamte im Gefängnis hätten sich als Fans deklariert - könne ernsthaft behaupten, dass sie Terrorpropaganda verbreite, so Erdogan. "Man merkt sofort, dass meine Texte einer humanistischen Idee entspringen."

"Ich versuche, eine Theorie der Gewaltlosigkeit zu entwickeln und stelle die Frage, wie Gewaltlosigkeit in einer von Gewalt geprägten Gesellschaft möglich ist."

Militäroperation mit religiöser Schlagseite

Dieser Zugang und die gleichzeitig unverblümte Darstellung der Wirklichkeit ziehen sich durch alle journalistischen und literarischen Texte von Asli Erdogan. In ihrem Erfolgsroman "Die Stadt mit der roten Pelerine" beschreibt sie etwa die harte Lebensrealität in Rio, wo die studierte Physikerin ihre Doktorarbeit schrieb. Die aktuellen Entwicklungen in der Türkei verfolgt Erdogan - derzeit von Deutschland aus - gebannt: Dass die türkische Armee nun die von Kurden kontrollierte Provinz Afrin in Syrien angreift, habe sie erwartet, so die Autorin.

"Was ich diesmal aber besonders stark registriere, ist der religiös verbrämte Diskurs, der den Krieg begleitet. Hunderte Schauspieler, Sänger oder Geschäftsleute, die der Regierung nahestehen, ja selbst bekennende Kemalisten, haben bereits getwittert: ‚Möge Allah unseren Soldaten beistehen.‘ Das ist eine neue Entwicklung."

Service

Am 3. Februar 2018 ist Asli Erdogan zu Gast im WERK X, 1120 Wien. Beginn ist um 19:30 Uhr.

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