Empfangsbereich im ORF-Zentrum

ORF/ROMAN ZACH-KIESLING

Schwarz-blaue Medienpläne

Rot-weiß-rotes Google mit ORF-Turbo

Die Regierung hat eine medienpolitische Vision: Sie will den ORF entgegen allen Befürchtungen nicht schwächen, sondern zum starken Partner der privaten Medien machen. Ziel ist eine gemeinsame Online-Plattform für Vermarktung und Content.

Gernot Blümel

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Gernot Blümel

Für Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) hat sich der öffentlich-rechtliche Auftrag massiv verändert. "Nämlich so, dass der ORF mit seiner ganzen Breite und Größe auch die Aufgabe hat, den privaten österreichischen Medienhäusern ein Schuhlöffel zu sein, um im digitalen Raum vielleicht erfolgreich zu sein." Ob das gelingen werde, wisse man noch nicht, es fehle auch das genaue Konzept, so Blümel. "Aber es geht darum, die Marktmacht des ORF zu nutzen, auch als Partner für die Privaten ein Garant dafür zu sein, dass auch in Zukunft noch österreichische Inhalte und Identität im digitalen Raum möglich sind."

Schulterschluss gegen die Giganten

Der Hintergrund für diese Überlegungen ist die enorme Wucht, mit der Internetgiganten wie Facebook und YouTube im Online-Bereich agieren. Sie saugen dort den Löwenanteil an Werbeumsätzen ab und entziehen den österreichischen Medienhäusern wesentliche Teile ihrer Finanzierungsquellen. Das Schreckensszenario für die Regierung, aber auch für die Medienhäuser ist, dass der Markt über kurz oder lang komplett von ausländischen Konzernen dominiert sein könnte. Mit allen negativen Folgen für die österreichische Identität. Eine gemeinsame Plattform von ORF und privaten Medien soll das verhindern – zumindest für die Vermarktung im Netz.

Wrabetz-Idee vom "Austria Marketplace"

Diese Idee hat im Vorjahr auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz in seinen "12 Thesen zum Medienstandort" formuliert. Wrabetz hat diese Vermarktungsallianz "Marketplace Austria" genannt. Dort sollen nationale und internationale Kunden Onlinewerbung buchen können und zwar in einem "gesicherten und glaubwürdigen Qualitätsumfeld". Das wäre ein Riesenvorteil gegenüber den Angeboten von Facebook oder Google und hätte dank ORF auch eine Schlagkraft. Markus Breitenecker, Chef von Puls4/ATV, das zum deutschen Medienkonzern ProSieben/Sat1 gehört, tritt für eine "Medienallianz" ein, die weit über Vermarktung hinausgeht.

Medienminister und Puls4 wollen mehr

Breitenecker will über die gemeinsame Plattform auch Inhalte teilen, also Zugang zu ORF-Programmen bekommen. Medienminister Gernot Blümel unterstützt das: "Ich halte das für einen guten Anstoß darüber zu sprechen, wie weit Produktionen, die zum Teil mit Gebührengeld produziert worden sind, teilweise auch anderen Medienhäusern zur Verfügung gestellt werden sollen." Diese Debatte müsse man führen, wenn man sich dazu bekenne, nicht mehr nur Konkurrent, sondern auch Partner sein zu wollen, so Blümel in Richtung ORF. Eine Art Austro-Google also? Der Medienminister: "Man wird ja noch träumen dürfen."

EU-Recht gegen Weitergabe von Inhalten?

Vor so einer rot-weiß-roten Suchmaschine und Content-Plattform, wenn denn je etwas daraus wird, könnten sich europarechtliche Hürden auftun. Walter Obwexer von der Universität Innsbruck sagt: "Wenn eine Verpflichtung für den ORF, diese Sendungen und Inhalte zur Verfügung zu stellen, so formuliert wird, dass die Verpflichtung dem Staat zuzurechnen ist, dann handelt es sich um eine staatliche Beihilfe und die wäre zugunsten der Privaten grundsätzlich verboten."
Genau genommen würde mit der gemeinsamen Plattform ja ein Medienkartell eingerichtet, das die Wettbewerbsbehörde auf den Plan rufen müsste. Doch dort gibt man Entwarnung. Man müsse im speziellen Fall angesichts der bestehenden Verhältnisse und der Verflechtungen auf dem Medienmarkt alles neu denken.

Wettbewerbshüter definieren Markt neu

"Der Online-Werbemarkt ist durch starke Internationalisierung gekennzeichnet. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht sowie aus gesamtwirtschaftlicher Betrachtung ist es erforderlich, Marktabgrenzungen neu zu definieren. Dieser Aufgabe wird sich die Bundeswettbewerbsbehörde stellen", so deren Chef Theodor Thanner auf Anfrage von #doublecheck. Es soll demnach nicht Österreich, sondern der deutschsprachige Raum der Maßstab sein - und dann geht es um andere Größenordnungen. Keine Rede mehr von einem Kartell.

Videoaustausch von ORF und Zeitungen

Neben den Privatsender haben vor allem Österreichs Zeitungen ein großes Interesse an so einer Vermarktungsplattform. Mit den österreichischen Medienhäusern läuft seit einem Jahr sehr erfolgreich die "Austria Videoplattform" – über die werden Videoinhalte ausgetauscht. Bisher hat der ORF 30.000 Beiträge zur Verfügung gestellt, 16 Medienhäuser und 44 Medienportale haben auf diese Videos Zugriff und können sie auf ihren Websites zeigen. Der Geschäftsführer des Zeitungsverbands VÖZ, Gerald Grünberger, betont: "ORF.at ist die größte Content-Plattform, daher kommt dem ORF auch eine große Bedeutung zu, wie man sich gemeinsam auf dem Markt bewegt." Keines der Medienhäuser könne das allein stemmen, der ORF bringe die "kritische Masse" ein, sagt Grünberger.

Via Plattform an den Gebühren mitnaschen

Die entscheidenden Fragen sind zum Austro-Google sind: Wie können der ORF und der große direkte Mitbewerber auf dem Fernsehmarkt - nämlich Puls4/ATV - zusammenkommen? Und: Wie werden die Erlöse aus der gemeinsamen Digital-Vermarktung aufgeteilt? Für Medienminister Gernot Blümel geht es in die Richtung, dass nur Medien bei der Plattform mitmachen dürfen, die auch qualitätsvolle Inhalte produzieren. "Somit wäre eine indirekte Förderung der Privaten über die Gebühren gegeben - über die mögliche Unterstützung durch den ORF", so Blümel.

Service

der.ORF.at - "Eigenständigkeit. Qualität. Vielfalt." 12 Thesen zum Medienstandort Österreich von Alexander Wrabetz

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