Franz Küberl
"Das ist parteipolitische Steinzeit"
Franz Küberl, der 20 Jahre lang in den wichtigsten ORF-Gremien tätig war und sich von keiner Fraktion und keinem Freundeskreis etwas vorschreiben hat lassen, muss den ORF-Stiftungsrat verlassen. Im #doublecheck-Interview mit Stefan Kappacher findet Küberl deutliche Worte zur Einflussnahme der politischen Parteien im wichtigsten ORF-Gremium.
2. April 2018, 02:00
#doublecheck
Die Angst der Medien vor ihren Fehlern, 02 03 2018 | 19:05 Uhr
Franz Küberl war seit 1998 Vertreter der katholischen Kirche im ORF-Aufsichtsgremium, jetzt wurde er aus dem Stiftungsrat abberufen. Für Küberl kam das überraschend: "Es waren die Vorzeichen eher in die Richtung, dass ich noch einmal antreten möge. Dann ist aber der Anruf einer hohen kirchlichen Instanz gekommen, die mir mitgeteilt hat, dass man sich für einen Generationenwechsel und daher gegen eine weitere Nominierung von mir entschieden habe", sagt Küberl. Eine andere Begründung kenne er nicht.
Wenn der Kardinal überraschend anruft
Küberls Ablöse wird als Signal gewertet, dass ÖVP und FPÖ die Zügel im ORF-Stiftungsrat straffer anziehen wollen. Spekuliert wurde über einen möglichen Deal zwischen Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) und Kardinal Christoph Schönborn, mit dem Ziel einer stabilen Zweidrittelmehrheit für die Regierung im Stiftungsrat. Ein Gespräch zwischen Blümel und Schönborn bestätigt Küberl, einen Deal will er aber nicht sehen. Der frühere Caritas-Präsident war zwar auf Ticket der Bundesregierung im Stiftungsrat, galt aber als unabhängig – und damit unberechenbar.
Der Stiftungsrat
Der Stiftungsrat ist gemeinsam mit dem Publikumsrat eines der zwei Aufsichtsgremien des ORF. Zu seinen wichtigsten Aufgaben zählt die Bestellung des Generaldirektors. Außerdem genehmigt er die Landesdirektoren und das Budget. Ihm gehören 35 Mitglieder an. Nach der Nationalratswahl 2017 können jene Mitglieder, die vom Nationalrat und der Bundesregierung entsendet werden, neu bestellt werden.
Keiner Partei, sondern dem ORF gedient
Die Stiftungsräte lassen sich großteils Parteien zuordnen. Sie haben sich - ob von Regierung, Ländern oder Publikumsrat entsandt - in den sogenannten Freundeskreisen zusammengetan, die sich vor Entscheidungen im Stiftungsrat intern beraten und abstimmen. Aufgrund seines Verständnisses von Kirche habe er sich nie vorstellen können, sich einer Fraktion anzuschließen, sagt Küberl. "Denn die katholische Kirche hat Mitglieder aus allen möglichen Schichten politischer Zugehörigkeit." Deshalb habe er sich einzig und allein dem Unternehmen verbunden gefühlt, wie es das ORF-Gesetz ja auch ganz unmissverständlich vorsehe, so Küberl.
Franz Küberl im #doublecheck-Interview mit Stefan Kappacher
"Als Unabhängiger nicht auf dem Mond"
Ginge es nach Küberl, dann gäbe es keine parteipolitischen Freundeskreise im Stiftungsrat. Zwar sei es unabdingbar und auch wichtig, dass man sich abspreche und mit den anderen Stiftungsräten rede, aber das habe er auch als unabhängiger Stiftungsrat getan: "Als Unabhängiger lebt man ja nicht auf dem Mond." Küberl hält aber sachpolitische Runden zu bestimmten Themenfeldern für weit sinnvoller als parteipolitische. Dass sich vor einigen Monaten die Bundesländer-Stiftungsräte zusammengeschlossen haben, um die Interessen der ORF-Landesstudios besser einbringen zu können, hält Küberl in diesem Sinne für einen Fortschritt.
Keine Rede von Ent-Parteipolitisierung
Von den 35 Mitgliedern des Stiftungsrates werden 24 direkt aus der Politik geschickt, die restlichen 11 entsenden Publikumsrat und Zentralbetriebsrat – und auch hier gibt es zum Teil klare parteipolitische Zuordnungen. Bei der Neuzusammensetzung des Publikumsrates, die im April ansteht, hat der Bundeskanzler laut ORF-Gesetz ein wichtiges Wort mitzureden. "Der Kern der Frage ist immer, ob der, der entsandt wurde, in der Lage ist, genau auf das Gesetz zu achten – im guten Sinn des Wortes, um eben dem ORF und den Anliegen des ORF dienstbar zu sein." Das würden einige Stiftungsräte auch so handhaben, sagt Küberl. Die Parteien hätten andere Interessen.
Der zarte Unterschied zur Staatspolitik
Franz Küberl: "Was die Parteien angeht, haben wir ein Problem zu bewältigen: Dass man zwischen Parteien- und Staatspolitik einen zarten Unterschied machen müsste." Küberl spricht aus Erfahrung. "Dass Regierende immer Interessen haben, das habe ich in fünf Perioden des Stiftungsrates erlebt." Und das sei jetzt nicht anders als früher: "Die jetzige Regierung verhält sich überhaupt nicht anders als die Regierungen vor ihr."
Franz Küberl spricht über seine 20-jährige Tätigkeit als unabhängiger Stiftungsrat
Was in den Köpfen der Parteileute spukt
Dass die Regierung ab Mai über eine Zweidrittelmehrheit verfügen wird, mit der auch der ORF-Generaldirektor jederzeit abgesetzt werden könnte, sei nicht neu, betont Küberl: "Die Frage ist ja immer wie man das einsetzt und ob das Drohgebärde ist oder ob das Ausdruck der Willensbildung ist." Dass Regierende immer wieder danach streben, eine Person aus der eigenen Partei an der Spitze des ORF zu haben, sieht Küberl kritisch: "Über Jahre habe ich immer gestaunt, wie das in den Köpfen von Parteileuten herumspukt, dass man eigentlich die Schmach der letzten Wahl ungeschehen machen möge. Ich halte das offen gestanden für parteipolitisch steinzeitig."
Politik via Handy im Sitzungssaal
Vor allem in Wahlkampfzeiten ist die Politik im Stiftungsrat präsent, erzählt Küberl. Er erinnert sich an eine Situation vor einer Wahl: "Das war eine Sitzungsunterbrechung, es war ganz ruhig im Saal, es waren auch nur wenige Stiftungsräte im Saal. Und ich bin unfreiwillig Zeuge geworden davon, dass ein ranghoher Politiker einen im Saal sitzenden Stiftungsrat angerufen hat. Ich habe das lange nicht erzählt und ich sage auch keine Namen. Das ist so ein Moment, wo man mitbekommen hat, dass die Politik direkt via Handy im Saal war."
Küberl über parteipolitische Einflussnahme und den Umgang mit Fehlern im ORF
Küberl plädiert dafür, keine Parteipolitik über den Stiftungsrat zu betreiben. "Parteipolitiker, die Staatsämter wahrnehmen, wären sehr gut beraten darin, dass sie Staatspolitik machen und nicht Parteipolitik. Ich glaube, das ist der Punkt, wo die Parteipolitik in Österreich auf Landes- und auf Bundesebene ein paar Millimeter zulegen könnte."