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ORF/THOMAS RAMSTORFER

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Umbauarbeiten oben und weiter unten

Der Umbau der Fernsehinformation war schon in der ersten #doublecheck-Ausgabe vor knapp einem Jahr Thema. Damals hat ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz die Reform abgeblasen, weil die rot-schwarze Koalition zerbrochen ist und Wahlkampf angesagt war. Jetzt ist es so weit: Es wird umgebaut. Und nicht nur die TV-Information.

Der Wahlkampf ist längst aus, Schwarz-Blau regiert, aber die Begleitmusik in Sachen ORF ist kämpferisch geblieben. Die neue Regierung hat viel vor mit dem öffentlich-rechtlichen Sender, der das mit Abstand größte Medienhaus des Landes darstellt. Details haben bisher nur die Freiheitlichen genannt, die ÖVP hält sich in der oft lautstarken Debatte auffallend zurück. Wer fragt, wird immer auf die Medienenquete verwiesen. Sie findet wahrscheinlich im Juni statt, der Termin wandert immer weiter nach hinten.

Stiftungsrat schon mit neuer Mehrheit

Fix ist, dass die Regierung sich eine solide Zweidrittelmehrheit im Stiftungsrat, dem wichtigen Aufsichtsgremium des ORF, gezimmert hat. Mit dieser Mehrheit könnten ÖVP und FPÖ zum Beispiel jederzeit den bis 2022 bestellten ORF-Chef Wrabetz abberufen. Wenn sie es nicht tun, haben sie jedenfalls ein starkes Drohpotenzial in der Hand. Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) hat am Donnerstag bei einem Talk in Servus-TV, an dem auch Wrabetz teilgenommen hat, jedenfalls betont: Er sehe keine Veranlassung, den Vertrag des Generaldirektors in Frage zu stellen. Das kann man glauben oder nicht.

ÖVP holt Fekter-Sprecher mit ATV-Erfahrung

Der erste Schritt zur Zweidrittelmehrheit war die Bestellung von mehreren neuen Stiftungsräten per Ministerratsbeschluss. Vier der SPÖ zugerechneten Stiftungsräte wurden durch FPÖ-Kandidaten ersetzt, die ÖVP tauschte einen ihrer Stiftungsräte aus und brachte Gregor Schütze, früher Pressesprecher von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) und dann ein Jahr lang Manager beim Privatsender ATV. Heute ist Schütze selbstständiger Kommunikationsberater.

Ein leichter berechenbarer Kirchenmann

Gemeinsam haben die Koalitionsparteien Alfred Trendl nominiert, der als Präsident des katholischen Familienverbandes die Kirche im Stiftungsrat vertritt. Trendl gilt als berechenbarer als sein Vorgänger Franz Küberl, der von Kardinal Christoph Schönborn überraschend abgezogen worden ist. Küberl galt immer als wirklich unabhängig und hat nie einem Freundeskreis angehört – das will Trendl auch so halten. Schwarz-Blau hat mit diesem Beschluss schon eine klare Mehrheit von 19 der 35 Stiftungsräte. Wenn sich im April der Publikumsrat neu konstituiert, der auch sechs Stiftungsräte entsendet, wird diese Mehrheit wachsen. Der neue Stiftungsrat mit schwarz-blauer Zweidrittelmehrheit steht dann im Mai.

ZIB-Chefredakteur wird wegreformiert

Vor diesem Hintergrund hat der ORF-Generaldirektor den Umbau der Fernsehinformation gestartet. Durch eine entsprechende Anweisung, die die Redakteursvertretung sehr skeptisch sieht, wird eine Hauptabteilung in zwei neue gesplittet. "Es kommt eine Hauptabteilung ORF1-Information und eine Hauptabteilung ORF2-Information mit zwei Chefredakteuren", erklärt ORF-Redakteurssprecher Dieter Bornemann. "Das heißt, den bisherigen Chefredakteur Fritz Dittlbacher wird es nicht mehr geben."

Dittlbacher war immer FPÖ-Zielscheibe

Fritz Dittlbacher war sieben Jahre lang ZIB-Chefredakteur, kann auf Top-Quoten verweisen und wird in der Redaktion geschätzt. Aber Dittlbacher, der der SPÖ zugeordnet wird, weil er vor vielen Jahren von der Arbeiterzeitung zum ORF gekommen ist, war immer Zielscheibe der Freiheitlichen. Jetzt wird sein Job gestrichen. Dass er bei den Führungsfunktionen in der neuen Channel-Struktur zum Zug kommen wird, kann man ausschließen. Der Redakteursrat hat Bedenken gegen das Vorgehen deponiert, befürchtet werden auch Reibungsverluste durch die Doppelstruktur. Aber der ORF-Chef wird das durchziehen.

Wrabetz hat einige Top-Jobs zu vergeben

Damit sind dann zwei Channel-Manager und zwei Chefredakteure – jeweils für ORF1 und für ORF2 - neu zu bestellen. Das gibt Alexander Wrabetz personelle Gestaltungsmöglichkeiten. Und die wird er angesichts der Rahmenbedingungen wahrscheinlich brauchen. Auch das neue Info-Magazin auf ORF1 – Arbeitstitel ist "Newsroom 1" – wird eine Chefin oder einen Chef brauchen. Längst werden in den Zeitungen und natürlich auch auf den Fluren des ORF-Zentrums Namen von Leuten kolportiert, die bald Karriere machen könnten, weil sie den Regierenden angeblich ins Konzept passen.

Neues Info-Magazin auf ORF eins

Generaldirektor Wrabetz hat vor dem Publikumsrat versichert, dass das neue Magazin auf ORF1 die bestehenden Informationssendungen nicht "kannibalisieren" werde. Dieses "große neue Informations-Projekt um 21 Uhr" werde die Kernkompetenz des ORF weiter stärken "und sicher nicht den anderen Sendungen schaden". Befürchtungen gehen etwa in die Richtung, dass Politiker es künftig vorziehen könnten, um 21 Uhr ins "Newsroom"-Studio zu kommen und nicht um 22 Uhr in die ZIB2. Die Live-Interviews sind aber das Herzstück des Formats, und die ZIB2 ist jetzt schon immer wieder mit Interview-Verweigerung bei aktuellen Fragen konfrontiert.

Vor Schwächung der ZIB2 wird gewarnt

Dazu kommt, dass ZIB2-Sendungschef Wolfgang Wagner, den der "Standard" zu Recht als das "Rückgrat der ZIB2" bezeichnet hat, sich für die Leitung des "Report" beworben hat. Moderator Armin Wolf hat im Podcast der Wiener Stadtzeitung "Falter" anklingen lassen, dass er aus einer Schwächung der ZIB2 Konsequenzen ziehen würde: "Wenn man die Sendung so nicht mehr machen könnte, wie wir sie jetzt machen, dann würde ich mir eine andere Arbeit suchen." Die ZIB2 sei wichtig für den demokratischen Diskurs in Österreich, so Wolf.

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