ASSOCIATED PRESS
Drittes Soloalbum
Jack White - "Boarding House Reach"
Zwölf Mal hat der amerikanische Musiker Jack White schon den begehrten Grammy gewonnen. Mit seiner Band The White Stripes 2004 für den Hit "Seven Nation Army", der in Fußballstadien rund um den Globus gesungen wird. Dieser gilt nach "Satisfaction" von den Rolling Stones als bekanntestes Beispiel seiner Art. Reduzierter Bluesrock im modernen Gewand, angetrieben nur durch Gitarre, Schlagzeug und Gesang, so die damalige Erfolgsmixtur. 2012 dann das erste Soloalbum. Nach vier Jahren Pause erscheint heute mit "Boarding House Reach" das dritte Solowerk des Künstlers.
23. April 2018, 02:00
Morgenjournal | 23 03 2018
Schwer zu glauben, dass es tatsächlich nur einen Jack White gibt. Der 41-Jährige ist viel beschäftigter Labelboss, Tonstudiobesitzer, er produziert andere Künstler, arbeitet gelegentlich noch als Tapezierer und bringt nun nach vier Jahren Väterkarenz eine neue Soloplatte heraus.
Billige Plastikgitarren
Und da macht White schnell klar, dass die Sache mit der Etikettierung als nostalgischer Retro-Musiker vielleicht doch zu vorschnell war. Denn die Sounds auf "Boarding House Reach" kennt man vom in Nashville ansässigen Musiker bisher nicht. So ungezwungen wechselt er hier die Sounds, dass man vermuten könnte White hat einen ordentlichen Schluck vom Jazz-Zaubertrank genommen. Keine Beschränkungen mehr, das war das Motto. Egal ob echte Stromgitarre oder billiges Plastikteil, solange der Sound gut ist, meint Jack White. "Ich wollte einfach jeden Sound, der mir in den Kopf kam und mir gefiel, verwenden."
Mach es wie der King!
"Boarding House Reach" ist Whites erstes Album in vier Jahren und der insgesamt erst dritte Eintrag in seiner Solokarriere. Seit Mai 2017 arbeitet der Sänger und Gitarrist daran. Und das möglichst geräuschlos, seiner beiden jungen Kinder wegen. White wollte die neuen Lieder im Kopf komponieren. Sein Vorbild für diese Herangehensweise war ein berühmtes - Michael Jackson. "Ich habe diese Jackson-Doku gesehen, 'This is It' - wahrscheinlich bisher schon sieben Mal", meint White. "Jackson sang seinen Musikern keine Noten vor, sondern erklärte Ihnen nur, es geht so 'da-da-da-dam-dam'. Da dachte ich mir, das wäre doch ein interessanter Ansatz. Ich werde das auch versuchen."
Der eigene Rekord
"Lazaretto", Whites Vorgängerplatte verkaufte 2014 in nur einer Woche 40.000 Stück, so viel wie kein Vinyl-Album der vergangenen 25 Jahre. Eine hohe Latte für "Boarding House Reach", dessen 13 Songs sperriger klingen, experimenteller und loser.
"Back to basics" also, zurück zum Ursprung, so der programmatische Ansatz, der den Sound frisch halten sollte. Aufgenommen wurde auf einer uralten Magnetbandmaschine, die sich der Gitarrist schon als Teenager kaufte. Die Wahl der Musiker wiederum kann als Frischzellenkur bezeichnet werden. Vor allem solche mit Hip-Hop-Vergangenheit scharte White um sich.
Das ist deswegen erstaunlich, weil sich White bisher als gestrenger und konservativer Analog-Botschafter inszeniert hat. Als Vintage-Prediger, der alte Aufnahmegeräte sammelt, eine Erstausgabe des allerersten Superman-Comics aus dem Jahr 1938 besitzt und für sein Third Man Records Studio in Nashville das erste neu hergestellte Gerät zur Pressung von Schallplatten seit 60 Jahren kaufte. Bei seinen Konzerten gilt für alle Zuschauer Smartphone-Verbot.
Jack Whites Beipacktext
White weiß, dass er seine Hörerschaft mit dieser Platte fordert. Nicht alle werden die neuen Songs mögen, sagt er. Zumindest nicht ohne sie mehr als einmal gehört zu haben. Genau das aber mag er als Songwriter, komplexe Schönheit, die sich erst nach dem dritten Hören erschließt.
Das zarte Update seiner Analog-Philosophie bringt definitiv Schwung in die klassizistische Klangwelt des Jack White. Trotzdem empfiehlt es sich dem Beipacktext des Schöpfers zu vertrauen, und diese Songs tatsächlich mehr als nur einmal zu hören. Seinen persönlichen Aufbruch ins digitale Zeitalter zeigt Jack White übrigens auch dadurch, dass das Konzert zur Veröffentlichung von "Boarding House Reach" live auf Twitter gestreamt wird - ab Samstag 3 Uhr morgens hiesiger Zeit.
