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Ein (fast ganz echter) Seder-Abend
Am Abend des 30. März beginnt es heuer mit dem sogenannten Seder-Abend – das jüdische Pessach-Fest. Und dieser erste Abend wird ganz besonders feierlich begangen. Wie das konkret aussieht, das konnte Brigitte Krautgartner miterleben.
28. April 2018, 02:00
Lebenskunst
Kulinarisch und lehrreich 01 04 2018 | 07:05 Uhr
Die israelitische Kultusgemeinde Wien, das Österreichische Außenministerium und die Botschaft des Staates Israel hatten ausgewählte Gäste zu einem Quasi-Seder-Abend geladen - schon bevor er tatsächlich in den jüdischen Familien in Wien und rund um den Globus begangen wird.
Ein Abend in sympathischer und anregender Gesellschaft (darunter nicht wenige Diplomatinnen und Diplomaten), mit schmackhaftem Essen und passender Weinbegleitung - so könnte man den Event zusammenfassen. Den Vorsitz führte der Oberrabbiner der israelitischen Kultusgemeinde Wien, Arie Folger. Und von ihm konnten die Gäste viel Wissenswertes erfahren.
Was ist das Pessach-Fest?
Pessach ist eines der bedeutendsten Feste im Judentum. Inhaltlich berichtet es von der Befreiung des in Ägypten versklavten Volkes Israel. Zehn Plagen sind es, die Gott gemäß der Überlieferung den Ägyptern schickt - um den Pharao zu überzeugen, dass er die Israeliten aus der Sklaverei entlässt.
Die letzte dieser Plagen ist der Tod aller männlichen Erstgeborenen – ausgenommen sollen nur die Israeliten sein, mit denen Gott ein Zeichen vereinbart: Um verschont zu bleiben, sollte jede israelitische Familie abends ein männliches, einjähriges makelloses Jungtier von Schaf oder Ziege schlachten. Mit seinem Blut sollten sie die Türpfosten bestreichen - und es dann braten und gemeinsam zur Gänze verzehren. An den mit Blut markierten Häusern, so die Vereinbarung, werde der Todesengel in derselben Nacht vorübergehen, während er die Ägypter strafen werde.
Das Pessachfest dauert traditionell außerhalb Israels acht Tage, in Israel selber sieben Tage. Es ist ein Familienfest und beginnt mit dem sogenannten Seder-Abend, der ist gekennzeichnet durch das Verzehren ritueller Speisen und die Erzählung der Geschichte vom Auszug aus Ägypten.
BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
Welche Speisen gehören zum Seder-Abend?
Ganz wichtig sind die ungesäuerten Brote (Matzes), sie sind flach und kompakt, da sie ohne Treibmittel wie Sauerteig hergestellt werden. Oberrabiner Arie Folger erkläre ihre Bedeutung so: "Es gibt eine doppelte Symbolik: die Versklavung - Sklaven essen, was immer sie bekommen können. Außerdem haben sie keine Zeit, und dieses Brot ist schnell fertig. Es symbolisiert aber auch die Erlösung - denn die Erlösung ist für das Volk Israel damals ganz schnell gekommen.“
Dazu kommt Salzwasser – als Symbol für die vergossenen Tränen. Es ist nicht unüblich, dazu Kartoffeln zu reichen, die in das Salzwasser eingetaucht werden.
Bittere Kräuter (unter anderem Kren und Römersalat), die die bittere Knechtschaft in Ägypten symbolisieren.
Gekochte Eier – sie erinnern an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem, symbolisieren aber auch die menschliche Fruchtbarkeit.
BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
Eine süße Paste, die in unseren Breiten gern aus Äpfeln und Nüssen hergestellt wird, in südlicheren Regionen auch aus Datteln. In diese Paste werden die bitteren Kräuter getaucht: sie symbolisiert den feuchten Lehm, aus dem die Israeliten Ziegel hergestellt haben.
Lammknochen – in der Regel ganz ohne Fleisch oder nur mit wenigen Fleischresten – sie symbolisieren das geopferte Tier und werden nicht gegessen.
Zu diesen Speisen gehört unverzichtbar Wein – zumindest für die Erwachsenen. "Wer noch zu klein dafür ist, trinkt Traubensaft“, so Oberrabbiner Folger, "Wein gilt als das edle Getränk der freien Menschen“.
Eine Haggada
Ein gemeinsames Mahl mit Botschaft – wie funktioniert das?
Zentrales Element des Seder-Abends ist die Erinnerung bzw. die Weitergabe der Erinnerung. Traditionell sind es die Kinder, die an diesem Abend auf ganz anschauliche Art und Weise in die Geschichte des Volkes Israel eingeführt werden. Und so kommt den Kindern die Aufgabe zu, die klassischen, durch Generationen überlieferten Fragen zu stellen.
"Weshalb ist dieser Abend anders als alle anderen? Weshalb das Eintauchen? Warum nur Matze? Wozu die bitteren Kräuter? Warum entspannen wir uns und essen auf der linken Seite wie die Könige?“ Als Antwort auf diese Fragen wird die Geschichte vom Auszug aus Ägypten nacherzählt. Die einschlägigen Texte sind in einem – vielfach aufwändig gestalteten – Buch, der Haggada festgehalten. Dazu kommen traditionelle Ausschmückungen aus rabbinischer Zeit und Interpretationen der Geschichte vom Auszug. Zahlreiche traditionelle Lieder sind ebenfalls Teil des Festmahls.