KUZ Mattersburg

ORF

1975

Kulturzentrum Mattersburg, Burgenland

Das Kulturzentrum Mattersburg ist im Stil des Brutalismus gebaut, der nach "beton brut", also nach dem rohen Beton als Baumaterial benannt ist und in den 1960er Jahren Verbreitung gefunden hat. Es gilt als herausragendes Beispiel des Brutalismus im Burgenland und in Österreich.

Das Mattersburger "Modell für Österreich"

Anna Soucek

Der Architekt Herwig Udo Graf hat das Kulturzentrum Mattersburg entworfen und geplant – von dem in verschiedene Größen teilbaren Veranstaltungssaal und eine daran anschließende Freiluft-Arena, über die Garderoben und Verwaltungsräume, bis hin zur Bestuhlung und Möblierung, zu Details wie Leuchten und Handläufen. 1976 wurde das Gebäude eröffnet. Jetzt ist es geschlossen, es steht kurz vor dem Abriss. Ein Neubau ist geplant. Dabei könne es problemlos für heutige Ansprüche adaptiert werden, meint der Architekt, und es sei auch erstaunlich gut erhalten. Hätte man es nicht seit 2014 verfallen lassen - trotz der Proteste aus der internationalen Architektur-Fachwelt.

Stiegenhaus im Nordtrakt

Stiegenhaus im Nordtrakt

JOHANN GALLIS

Beton und Mahagoni, das sind die beiden Materialien des Kulturzentrums Mattersburg – sie ziehen sich durch das ganze Gebäude, das an eine – ebenfalls von Herwig Udo Graf geplante – Schule angrenzt. Bevor das Kulturzentrum geschlossen wurde, war es mit der Schule baulich verbunden, sodass der Veranstaltungssaal auch für Schulveranstaltungen genutzt werden konnte. Die Schule wurde in den 1990er Jahren mit einer wärmeisolierenden Fassade versehen – das Innere, etwa der Hof und die große Sporthalle, ist weitgehend im Originalzustand erhalten.

KUZ

ORF/ANNA SOUCEK

Trotz des verwahrlosten Zustands des Kulturzentrums, das von Gestrüpp umwuchert wird, ist die Handschrift des Architekten Herwig Graf noch gut ablesbar: Skulptural ist die gesamte Außenerscheinung, und den Sinn für bildhauerische Gestaltung lassen auch Details wie eine Brunnenanlage oder die markanten Wasserspeier erkennen. "Was mich daran so fasziniert, ist die topographische Einbettung", erklärt Johann Gallis, ein Kenner der burgenländischen Baukunst, "die bauplastischen Elemente setzen sich im Außenraum fort, etwa die Blumentröge und die Stützmauern. Das Bauwerk reagiert auf die Landschaft – eben im Stil des Brutalismus."

KUZ, verwahrlost, bröckelige Fassade

ORF/ANNA SOUCEK

Johann Gallis ist in Mattersburg aufgewachsen und studiert in Wien Kunstgeschichte. Vor vier Jahren, als der geplante Abriss des ikonischen und im Ort durchaus beliebten Bauwerks bekannt wurde, startete Gallis eine Bürgerinitiative zu dessen Rettung. Über 2.000 gesammelte Unterschriften bewirkten eine öffentliche Debatte. "Am Anfang waren viele schockiert, dass es plötzlich geschlossen wurde und abgerissen werden soll", sagt Johann Gallis über die breite Unterstützung seiner Initiative durch die Bevölkerung von Mattersburg, einer burgenländischen Kleinstadt mit etwa 7.000 Einwohnern. "Viele waren verärgert über diese Vorgehensweise und haben sich wohl auch erinnert, was für ein Pilotprojekt das KUZ einst war."

KUZ, verwildert, junge Birke

ORF/ANNA SOUCEK

Das Kulturzentrum Mattersburg ist eine in Beton gegossene, sozialdemokratische Vision. Es war die erste von insgesamt fünf solcher Institutionen, die im Burgenland errichtet wurden, um die Kultur unters Volk und in die Provinz zu bringen. Diese Initiative ging 1972 vom damaligen Landesrat Gerald Mader aus und wurde von seinem Parteikollegen, dem damaligen Bundesminister für Unterricht und Kunst, Fred Sinowatz, unterstützt.

Während der Bauzeit, zirka 1974-75

PRIVAT

Anlässlich der Eröffnung des Kulturzentrums Mattersburg 1976 schrieb Sinowatz, dass der ganze ländliche Raum mit Kultur- und Bildungszentren erschlossen werden sollte, er sprach von einem "Modell für Österreich": "Während es in anderen Orten oft um eine Revitalisierung historischer Stätten und um ihre Nutzbarmachung geht, werden hier funktionelle, ihrem Zweck großzügig angemessene Bauten errichtet. (…) Die im Burgenland nun entstehenden Kulturzentren – und in erster Linie das am 22. Mai eröffnete in Mattersburg – haben deshalb eine exemplarische Stellung, weil hier auf der Grundlage gesicherter Unterlagen über das Kulturverhalten in ganz Österreich im allgemeinen und im Burgenland im Besonderen ein Kulturprogramm ins Werk gesetzt werden kann, das mittels der damit gewonnenen Erfahrungen wegbereitend für gleichartige Institutionen wirken wird."

Herwig Udo Graf, der später noch das Kulturzentrum Oberschützen bauen sollte, erinnert sich, dass das Gebäude und das KUZ-Kulturprogramm "quer durch alle politischen und gesellschaftlichen Schichten angenommen" wurde. Es gab Ausstellungen, Theateraufführungen, Bälle, gewerbliche Veranstaltungen, Kulturvereine hatten hier ihre Büroräumlichkeiten. Johann Gallis: "Für die Gemeinde war es natürlich eine Belebung, weil davor fanden Kulturveranstaltungen vor allem in Gasthäusern oder Turnsälen statt. Nun gab es Möglichkeiten, die es davor nur in Großstädten gegeben hat. Man wirklich versucht, im ländlichen Raum diese Angebote zu ermöglichen. Allerdings muss man anmerken: Am Anfang war die programmatische Ausrichtung wesentlich ambitionierter. Es ist wirklich sehr viel an den Persönlichkeiten von Gerald Mader und Sinowatz gehangen. Als sie nicht mehr tätig waren, ist es zunehmend verflacht worden. Die Gebäude sind das einzige, was von der kultur- und bildungspolitischen Offensive übrig geblieben ist, denn es ist eigentlich verabsäumt worden, diese weiterzuentwickeln."

Service

Kulturzentren Burgenland
Literaturhaus Mattersburg
Ausstellung "SOS Brutalismus" im Architekturzentrum Wien

Gestaltung

  • Anna Soucek

Übersicht